Zehn Millionen Soldaten fielen während des Ersten Weltkriegs. Im Einsatz waren zu dieser Zeit auch zahlreiche Intellektuelle - Schriftsteller, Maler, Bildhauer. Ihre Werke prägen bis heute unsere Sicht auf den Krieg vor hundert Jahren, beispielsweise Otto Dix' Flandern, Erich Maria Remarques Im Westen nichts Neues oder Gabriel Chevalliers La Peur. Sie alle verarbeiten darin ihre Erfahrungen an der Front. Der Historiker Dr. Steffen Bruendel hat sich in seinem neuen Buch Jahre ohne Sommer. Europäische Künstler in Kälte und Krieg die europäischen Künstler im Krieg genauer angeschaut und sich dabei auf das Jahr 1916 konzentriert. Wie haben unter anderen Ernst Jünger, Wilfried Owen, Henri Barbusse und Arnold Zweig die Schlachten in Verdun, Gallipoli, an der Somme und im Skagerrak erlebt? Welche Rolle spielte dabei der ausgebliebene Sommer? Besteht möglicherweise ein Zusammenhang zwischen Katastrophen und dem Schaffen von Kunst? Wir haben Steffen Bruendel um seine Sicht gebeten.
"Wer überlebte, verarbeitete das Erlebte künstlerisch"
L.I.S.A.: Herr Dr. Bruendel, Sie haben ein neues Buch über den Ersten Weltkrieg geschrieben – „Jahre ohne Sommer“ –, in dem Sie sich wieder auf die Kultur- und Geistesgeschichte dieses Krieges konzentrieren. Im Buch „Zeitenwende 1914“ hatten Sie sich bereits mit Künstlern, Dichtern und Denkern im Ersten Weltkrieg auseinandergesetzt. Warum nun ein weiteres Buch über – im weitesten Sinne – Künstler im Ersten Weltkrieg? Was unterscheidet es vom vorherigen?
Dr. Bruendel: Die „Zeitenwende 1914“ behandelt wichtige deutschsprachige Künstler, Dichter und Denker sowie die gesamte Kriegszeit, inklusive der letzten Vor- und der ersten Nachkriegsjahre, sowie Front und Heimatfront. Anhand zahlreicher Quellen, also Werken der bildenden Kunst und der Literatur, aber auch auf Basis sogenannter Kriegsschriften und Reden lege ich dar, inwiefern durch den Krieg und seinen Verlauf Entwicklungen im künstlerischen, gesellschaftlichen und politischen Bereich angestoßen wurden, die über die Kriegszeit hinaus nachwirkten. Ausgehend von zahlreichen Einzelschicksalen und Biografien spanne ich also einen großen Bogen.