Jean Froissart ist in seinen Grandes Chroniques voll des Lobes für den Fürsten aus den Pyrenäen. Kein anderer sei „von solch schöner Gestalt, von so schönem Antlitz, lebendig und lachend, mit hellen graublauen Augen, die immer dann vor Zuneigung leuchteten, wenn sie den Blick auf etwas warfen.“[1] Hunde habe der weise Graf über alles andere geliebt und auch seine Vorliebe für die Jagd bemerkte der Chronist.[2] Es mag daher kein Zufall sein, dass der vermutete Aufenthalt Froissarts am Hof des Grafen von Foix zwischen 1388/89 mit der Vollendung des berühmten Livre de chasse zusammenfällt. Ein „Buch zur Jagd“ hat der schillernde Fürst wohl zwischen 1387 und 1397 geschrieben, das bis ins 18. Jahrhundert als wichtiges Referenzwerk verwendet wurde.
Unabhängig von der zuweilen zwiespältigen politischen Haltung des Grafen von Foiy (der sich nach dem Phöbus nannte) zur französischen Krone während des Hundertjährigen Krieges (seine Grafschaft Béarn unterstand dem englischen König als Herzog der Gascogne und war so in den andauernden Streit um die Herrschaft über die Region verwickelt. Dies führte unter anderem zu kriegerischen Auseinandersetzungen mit dem Herzog Jean de Berry Mitte der 1370er Jahre, der als Leutnant des Languedoc begann, französische Ansprüche in der Region durchzusetzen) beleuchtet die Ausstellung im Musée de Cluny nun in einer kleinen Ausstellung in Kooperation mit dem Château de Pau sowohl die historische Figur als auch das niedergeschriebene Vermächtnis des Grafen, das in seinem intellektuellen Kontext präsentiert wird.
Neben der historischen Dokumentation, die im wesentlichen aus eindrucksvollen Archivmaterialien der Archives départementales de Pau und dem Pariser Nationalarchiv gestellt wird, finden sich im ersten Teil der Ausstellung auch kostbare italienische Seidenstoffe, die aus der Zeit des Grafen stammen und vor allem für den Vergleich mit den Miniaturen des eigentlichen Hauptwerks der Ausstellung, des manuscrit français 616 der Pariser Nationalbibliothek dienen.
Um 1407/08 wohl für den Dauphin Louis de Guyenne († 1415) geschrieben, sind in diesem Exemplar des Livre de chasse die Innovatoren der Pariser Buchmalerei des frühen 15. Jahrhunderts versammelt. Neben dem Bedford-Meister als führendem Buchmaler haben der Egerton-Meister, der Meister des Epître d’Othéa und der Adelphus-Meister an der Ausmalung der Handschrift mitgearbeitet und vor kostbaren vergoldeten Mustergründen die Jagdszenen in einer großartigen Pariser Prachthandsichrft entwickelt. Die Zwillingshandschrift in New York, Pierpont Morgan Library, M. 1044, die für den bretonischen Herzog (Franz II. ?) ebenfalls wohl von Johann Ohnefurcht in Auftrag gegeben wurde, konnte leider nicht für die Ausstellung gewonnen werden. Ebenso konnte man zwar das ms. fr. 617 bewundern, eine minutiöse Abschrift um 1500/20, verziert mit Federzeichnungen in der Art einer minute, nicht aber dessen Vorlage, die ebenfalls in der französischen Nationalbibliothek aufbewahrt und erst im zweiten Teil der Ausstellung ab März 2012 im Château de Pau zu sehen sein wird (fr. 619). Dieses Exemplar wurde wohl schon unter und möglicherweise gar für Gaston Fébus selbst im späten 14. Jahrhundert in Avignon illuminiert (mit wunderbar feinen Grisailleminiaturen) und gilt auch als Vorbild für die prachtvollen Pariser Varianten um kurz nach 1400.
Eine weitere, nahezu unbekannte Abschrift, die sich direkt von dem Vorbild des späten 14. Jahrhunderts ableitet, wurde hingegen aus London geschickt. Add. 27699 der British Library erweckt dabei eine ganz unerwartete Assoziation, die man im Ausstellungskatalog nicht nennt. Der Meister des Epître d’Othéa, wie er z.B. in der Den Haager Abschrift des livre de la mutacion de Fortune erscheint, könnte ganz eng mit der Londoner Handschrift in Zusammenhang stehen.
Eine weitere Handschrift, auf die man sich besonders freuen darf, wenn man im März 2012 die Reise nach Pau antreten sollte (eine der Hauptresidenzen von Gaston Fébus), ist fraglos die Pariser Handschrift ms. fr. 1291 des livre de chasse, die für Jacques d’Armagnac, Herzog von Nemours, um 1445/50 angefertigt wurde. Um die Mitte des Jahrhunderts haben sich die Illustrationen der einzelnen Kapitel völlig von dem in Paris noch kurz nach 1400 maßgebenden Vorbild des späten 14. Jahrhunderts gelöst; statt im Bildzentrum vor Mustergrund thronend und umgeben von Jagdhunden, die von Pagen herangeführt werden, sitzt der Graf von Foix, Gaston Fébus vor einem Kamin und empfängt das von ihm diktierte Buch durch die Hände eines Schreibers, dem Jäger mit ihren Hunden folgen. Die Ikonographie der Dedikationsminiatur scheint die Entstehung des Werkes nicht mehr recht zu begreifen (immerhin gilt der Graf von Foix als Autor des livre de chasse), dafür gehört die Qualität der in zarten Pastelltönen kollorierten Miniaturen in feiner Linienführung zu dem ungewöhnlichsten, was man aus der Mitte des französischen 15. Jahrhunderts zu sehen bekommen kann. Nur ganz wenige Hauptwerke gehören zu dieser Art von Buchmalerei: In erster Linie das nur selten studierte Paradis de la reine Sibylle von Antoine de la Sale in Chantilly (Ms. 653), sicher von gleicher Hand, das für Agnès de Bourgogne, Tocher von Johann Ohnefurcht und Herzogin vom Bourbonnais und der Auvergne (durch die Ehe mit Charles de Bourbon), angefertigt wurde. Vergegenwärtigt man sich aber, dass das livre des Tournois von Barthélemy d’Eyck (fr. 2695) vermutlich erst gegen 1460 entstanden ist, findet sich die größte Nähe zu den französischen, in Pastelltönen lavierten Miniaturen vielleicht doch eher bei Jean le Tavernier, der die wunderbaren Passages d’outremer, (in der Übers. von Jean Miélot, Brüssel, KBR, Ms. 9095) bereits Mitte der 1450er Jahre illuminierte, die aktuell noch in Brüssel anlässlich der Ausstellung Miniatures flamandes zu sehen sind und sich in der Bibliothek der burgundischen Herzöge befanden.
Da das Musée de Cluny als Museum des Mittelalters sich gleichsam nicht nur auf die Handschriftentradition des livre de chasse konzentriert, werden in der Ausstellung nun auch Tafelsilber, Seidenstoffe und Urkunden versammelt, ebenso wie eine kleinere Auswahl von Bestiarien, Varianten des Livre du roy Modus (Vorbild für das livre de chasse) und natürlich Exemplare der Grandes Chroniques de France, die den Kapiteln zum Grafen von Foix auch Miniature widmen (besonders bemerkenswert sowohl wegen seines Miniaturenschmucks als auch wegen der Zuschreibung der Brüsseler Froissart, KBR, Ms. II 88 als auch der Londoner Harley Froissart (Harley 4379-80) aus Brügge).
Der Hauptteil des reich bebilderten Katalogs ist thematischen Essays gewidmet, die von der Biographie des Prinzen bis zur Analyse seines literarischen Werkes, dem livre de chasse, reichen und daher einen fundierten Einstieg in die Thematik mit besonderem Schwerpunkt auf die Handschriftentradition liefern.
Die Ausstellung „Gaston Fébus. Prince Soleil. 1331-1391“ ist vom 30. November 2011 bis 05.März 2012 im Musée de Cluny (Paris) zu sehen und wird nachfolgend im Musée national du Château de Pau vom 17. März bis 17. Juni 2012 gezeigt werden.
[1] Froissart, 3. Buch, Kap. XIII: „Et vous dis que j'ai en mon temps vu moult de chevaliers, rois, princes et autres; mais je n'en vis oncques nul qui ne fût de six beaux membres, de si belle forme, ni de si belle taille et viaire bel, sanguin et riant, les yeux vairs et amoureux là où il lui plaisoit son regard à asseoir.“
[2] Froissart, 3. Buch, Kap. XIII: „Les chiens sur toutes bêtes il amoit; et aux champs, été ou hiver, aux chasses volontiers étoit.“
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