Matt Damon, Cate Blanchett, John Goodmann, Bill Murray – George Clooney hat wahre Hollywood-Größen zusammengetrommelt, um mit ihm zusammen in seinem neuen Blockbuster “Monuments Men” eine Episode des Zweiten Weltkriegs auf die Leinwand zu bringen. Diese Schauspieler verkörpern unter anderem Angehörige der militärischen Kunstschutzorganisation “Monuments, Fine Arts & Archives-Section (MFA&A)”. Die MFA&A sorgte gegen Ende des Zweiten Weltkrieges dafür, dass engagierte Kunstschützer in der Nähe des Frontverlaufs waren, um Architektur und Baudenkmäler zu schützen. Hinzu kamen die Sammlungen der europäischen Museen, Bibliotheken, Archive und Kirchen.
Basierend auf einer wahren Geschichte
Die “Monuments Men” aus einem anderen Blickwinkel betrachtet
CC-PD-Mark (gefunden bei WikimediaCommons)
Die Arbeit der Monuments Men wurde in den USA von Robert Edsel populär-wissenschaftlich aufbereitet. Seine gleichnamige Publikation über die ‘Kunsthistoriker in Uniform’ war in den Vereinigten Staaten ein großer Erfolg und stellte die Grundlage für Clooneys Verfilmung dar. Der Film beruht also auf einer wahren Geschichte, erzählt aus einem US-amerikanischen Blickwinkel.
Edsels Buch trägt den Untertitel “Allied heroes, Nazi thieves, and the greatest treasure hunt in history”. Auch die Hollywood Verfilmung wird die Kunstschutzoffiziere höchstwahrscheinlich glorifizieren und ein sehr einfaches Bild vom Kampf “Gut gegen Böse” zeichnen, von den wenigen heldenhaften Soldaten, die sich tapfer gegen die nationalsozialistischen Kulturbarbaren stellten, die danach trachteten, die Kunst Europas zu zerstören. Ganz so einfach ist die Geschichte natürlich nicht. Ohne die Bedeutung der Arbeit der Monuments Men schmälern zu wollen, muss man sich jedoch vor Augen führen, wie diese Kunstschutzeinheit gegründet wurde: Die erste Aufgabe der MFA&A war es, nach Kriegseintritt der USA Kunstwerke in Europa vor allem vor eigenem Bombardement zu schützen, indem bedeutende Bauwerke, Museen und Archive auf Landkarten markiert wurden. Auch hatten die Monuments Men dafür Sorge zu tragen, dass die eigenen Truppen nicht in den Kulturstätten Quartier bezogen, plünderten oder das Mobiliar als Brennholz verwendeten. Erst in einem zweiten Schritt sorgte man sich um die Kunstwerke, die kriegsbedingt in Bewegung geraten und in ganz Europa verstreut waren. Darunter befanden sich ohne Frage auch Kunstwerke, die von den Nationalsozialisten geraubt worden waren, aus den besetzten Ländern wie auch von der entrechteten jüdischen Bevölkerung. Ein sehr großer Teil dieser Kunstwerke war jedoch das rechtmäßige Eigentum deutscher Museen, das zum Schutz vor den Bombardements der Alliierten in Bergwerken, abgelegenen Schlössern etc. ausgelagert worden war. Nur weniges davon war von Hitlers berüchtigtem “Nero-Befehl” bedroht, sollte also bei Kriegsende in die Luft gesprengt werden.
Das Bild der “treasure hunt”, der Jagd nach dem von Nazis geraubten Kulturgut durch die Monuments Men war bereits damals in der amerikanischen Presse verbreitet und hält sich hartnäckig. So zeigt bereits der Filmtrailer das Auffinden von Kunstwerken in der Salzmine von Merkers (Thüringen). Das lässt sich deshalb gut in Szene setzen, weil mitsamt den Kunstwerken auch das Reichsbank-Gold dort gelagert war – ein Schatz im wahrsten Sinne des Wortes. Die dort gelagerten Kunstwerke jedoch hatten mit dem nationalsozialistischen Kunstraub nichts zu tun. Diese Kunstwerke, größtenteils aus den Berliner Museen, waren in den letzten Kriegstagen evakuiert worden und erst wenige Tage zuvor in Merkers eingetroffen. Sie schimmelten also nicht bereits seit Monaten, vergessen von den Deutschen, vor sich hin. Im Gegenteil hatten Berliner Museumsverantwortliche ihr Bestes getan, um diese Kunstwerke aus der bedrohten Stadt zu bringen, in die klimatisch günstigen Bedingungen eines Salzbergwerks, wo sie das Kriegsende erwarten sollten, um wieder ihren Platz im Museum einzunehmen.
Der wirkliche Verdienst der MFA&A liegt ganz woanders, weit weniger heroisch, eher langfristig orientiert und durch viel Verwaltungsarbeit geprägt – und damit natürlich weit weniger Hollywood-tauglich. Weniger die Suche einzelner Offiziere nach von Nazis geraubter Kunst machte die Monuments Men zu Helden für das europäische Kulturerbe als vielmehr die grundsätzliche Überzeugung, die dazu geführt hatte, eine solche Militäreinheit zu etablieren. Dass das Kulturgut einer Nation stets schützenswert ist, dass es wesentlich zum Selbstverständnis eines Volkes beiträgt und dass es selbst dann bewahrt werden müsse, wenn dieses Volk große Verbrechen an der Menschlichkeit begangen hat. Die Institutionalisierung des Kulturschutzes in Kriegszeiten sorgte dafür, dass deutsches Kunstgut, das schon lange vor 1933 in den Museen war, nicht – wie es jahrhundertelang Kriegstradition war – von den Siegern zerstört oder geplündert wurde, sondern in Deutschland bleiben konnte. Eine wichtige Basis für den kulturellen Wiederaufbau. Es hat durchaus Überlegungen auf amerikanischer Seite gegeben, Kunstwerke als Reparationsleistungen dauerhaft in die USA zu verbringen – die Monuments Men haben das verhindert. Durch das Zusammentragen und Inventarisieren der Kunstwerke, durch die Zusammenarbeit mit den deutschen Museumsmitarbeitern und Kulturinstitutionen, durch Publikationen über ihr Wirken in Europa, durch Lobby-Arbeit in Amerika.
Diese Form des Kulturgüterschutz im und für das besiegte Land hatte eine nachhaltige Wirkung für die Kulturnation Deutschland. Die Kunstwerke in den Auslagerungsstätten zu finden, war spannend, ein Kunstkrimi mit Geheimagenten-Charakter. Das Zusammentragen der Kunstwerke hätte aber auch ohne die Mitwirkung der Alliierten stattgefunden. Vielleicht nicht so schnell und nicht so konzentriert, aber die deutschen Museumsverantwortlichen hätten “ihre” Kunstwerke sicherlich wieder zurückgeholt. Die Leistung der Kunstschutzoffiziere lag darin, dafür zu sorgen, dass die Kunstwerke auch im Land bleiben konnten, um die Basis für den Wiederaufbau der Museumslandschaft bilden zu können. Darüber berichtet Robert Edsel nicht, und auch die Hollywood-Verfilmung wird sich auf die Heldengeschichten an der Front konzentrieren. Aus meiner Sicht liegt der Verdienst jedoch in eben jener langfristig orientierten Auslegung des Kulturgüterschutzes.