Er war der letzte Kanzler des Deutschen Kaiserreichs: Prinz Max von Baden. Und obwohl er damit eine besonders prominente Rolle in der deutschen Geschichte einnimmt - an der Nahtstelle zwischen Monarchie und Republik - ist er in der Geschichtswissenschaft bisher wenig beachtet worden. Eine umfassende Biographie, die das Leben des badischen Prinzen in seiner Gesamtheit erschließt, blieb bisher aus. Der Historiker Prof. Dr. Lothar Machtan von der Universität Bremen schließt mit seiner jüngst erschienenen und bereits vielbesprochenen Arbeit diese Lücke. Auf fast 700 Seiten beleuchtet er Max von Baden aus unterschiedlichen Perspektiven und bettet ihn stets in das historische Geschehen ein. Wir haben ihn nun nach seinen Ergebnissen gefragt.
"Er hatte es in der Hand, der Reichspolitik eine andere Wende zu geben"
L.I.S.A.: Herr Professor Machtan, Sie haben gerade eine neue Biographie über Prinz Max von Baden veröffentlicht. Das Buch trägt den Untertitel „Der letzte Kanzler des Kaisers“ und deutet damit bereits an, dass es sich bei Max von Baden um eine historische Figur einer bedeutenden Zeitenwende handelt. Hat er in seiner Position als Kanzler entscheidenden Einfluss auf die damaligen Ereignisse gehabt? Immerhin haftete ihm schon bei den Zeitgenossen das Etikett an, er sei der „Totengräber der Monarchie in Deutschland“ gewesen. Ist das pure Polemik oder ist da auch etwas dran?
Prof. Machtan: Historisch bedeutungsvoll ist Max von Baden in der Tat, weil er im Herbst 1918 als Hauptakteur auf der politischen Bühne stand. Und 1918 ist ja nicht irgendeine Jahreszahl in der deutschen Geschichte. Damals hat sich Deutschlands Weg in das 20. Jahrhundert politisch neu gespurt. Wie dies passierte, dafür war auch der letzte Kanzler des Kaisers verantwortlich. Allerdings auf eine etwas bizarre Art und Weise. Denn sein politischer Auftrag bei Amtsantritt und seine Selbstverpflichtung lauteten ursprünglich:
- das Reich möglichst schadlos aus dem Krieg zu führen und als Großmacht zu erhalten;
- Kaiser Wilhelm II. den Thron zu sichern;
- Revolution und demokratische Republik zu verhindern.
Doch entgegen seiner Absicht musste er als erste Amtshandlung ein Waffenstillstandsgesuch unterzeichnen, das von der Entente nicht zu Unrecht als Kapitulation gewertet und entsprechend ausgeschlachtet wurde. Am 9. November 1918 ließ er nolens volens die noch gar nicht vollzogene Abdankung des Kaisers verkündigen und besiegelte damit das Ende der Monarchie. Nachdem er zuvor schon – ebenso eigenmächtig – seine Amtsgeschäfte dem MSPD-Führer Friedrich Ebert übergeben hatte. Dem wiederum blieb angesichts der Revolution nichts anderes übrig, als den verlorenen Krieg abzuwickeln und eine demokratische Republik zu errichten. So war am Ende der Regierung Max von Baden in Deutschland politisch nichts mehr so wie zu Beginn. Er bewirkte somit das Gegenteil von dem, was er eigentlich wollte. Dabei hatte er es in der Hand, der Reichspolitik auch eine andere Wende zu geben. Wenn er sich eben nicht in die skizzierte Richtung hätte steuern lassen.
Meine Hauptfrage lautete: Wie konnte der Prinz von Baden zu so einer tragischen Größe werden? Das kann man nur begreifen, wenn man biographisch klärt, wer dieser Mann eigentlich gewesen ist.