Sie haben den Ersten Weltkrieg nicht an der Front erlebt. Dafür waren sie noch zu jung - die Töchter und Söhne der Frontsoldaten. Als ihre Väter zurückkehrten, war noch nicht ausgemacht, wie man sich in der Nachkriegszeit an den Krieg erinnern sollte. Wie war er für die Geburtsjahrgänge nach 1900 zu deuten? Hat er Sinn gemacht? Die Vorstellungen gingen dabei nicht nur zwischen den Generationen auseinander, sondern sie prallten auch innerhalb der Jugend aufeinander. Zunutze wusste sich diese Spannungen und die Orientierunsglosigkeit vor allem die NSDAP in Form ihrer Jugendorganisationen zu machen. Wir haben dazu dem Historikern und ehemalige Stipendiaten der Gerda Henkel Stiftung Dr. Arndt Weinrich unsere Fragen gestellt, der sich in seiner Dissertation intensiv mit dem Thema beschäftigt hat.
"Wie haben die Jahrgänge nach 1900 in den Weimarer Jahren den Krieg gedeutet"
L.I.S.A.: Herr Dr. Weinrich, Sie haben über die Folgen des Ersten Weltkriegs für die Weimarer Republik im Rahmen Ihrer Dissertation geforscht. Dabei haben Sie sich vor allem auf die Jugend konzentriert. Warum?
Dr. Weinrich: In der Weimarer Republik haben intergenerationelle Spannungen eine große Rolle gespielt. Das ist soweit gut bekannt. Die andauernde und sich zuspitzende politische Krise der ersten deutschen Republik kann letztlich nur vor dem Hintergrund eines virulenten Generationenkonfliktes verstanden werden. Vergessen wir nicht: das statistische Durchschnittsmitglied der NSDAP war 1932 gerade einmal 30 Jahre alt, und die zahlenmäßig am häufigsten vertretene Altersgruppe war die der 22-24jährigen. Verglichen mit dem republikanischen „Establishment“, war die NS-Bewegung ganz ohne Zweifel eine junge Partei. Eine Partei jedenfalls, die unterhalb der Führungsebene nicht von Veteranen des Ersten Weltkriegs dominiert wurde. Anders als u.a. George Mosse in seiner einflussreichen Brutalisierungs-These angenommen hat, kann der Erfolg des Nationalsozialismus damit nicht aus dem „Kriegserlebnis“ des Schützengrabens abgeleitet werden. Eine Untersuchung zu den Folgen des Ersten Weltkriegs für die Weimarer Republik kann an diesem Befund nicht vorbeigehen. Mir war es daher wichtig zu untersuchen, wie die Geburtsjahrgänge nach 1900 in den Weimarer Jahren den Krieg deuteten und mit Sinn versahen, welche Deutungsmuster sie übernahmen und ob bzw. wie sie ein generationell typisches Weltkriegsgedenken entwickeln.