Inwieweit können Smartphones den Besuch eines Museums oder Gedenkorts bereichern? Welche Möglichkeiten ergeben sich durch sogenannte History Apps? Der Gedenkort Rummelsburg in Berlin-Lichtenberg bietet seinen Besuchern seit Kurzem die App "Haftanstalt Rummelsburg" an. Mithilfe dieser App soll die Geschichte des im Nationalsozialismus als Arbeitshaus genutzten und später zum Gefängnis umfunktionierten Ortes interaktiv und medial erfahrbar gemacht werden. Die App bietet neben einer interaktiven Karte, Biografien und verschiedenen Rundgängen auch begleitendes Bildmaterial zum direkten Vorher-Nachher-Vergleich. Wir haben Thomas Irmer vom Gedenkort zu dieser Form der Geschichtsvermittlung befragt.
"Im Vordergrund stehen Biografien ehemaliger Insassen und Gefangener"
L.I.S.A.: Herr Irmer, Sie sind Historiker und Kurator mehrerer Ausstellungen, darunter der Dauerausstellung des neuen Gedenkorts Rummelsburg in Berlin-Lichtenberg. Für diese Ausstellung haben Sie eine App mitentwickelt. Doch bevor wir dazu kommen, was für ein historischer Ort ist Rummelsburg?
Irmer: In Rummelsburg, einem Ortsteil von Lichtenberg, befand sich von 1879 bis 1951 das größte deutsche Arbeitshaus. In der DDR-Zeit war es das zentrale Männergefängnis von Ost-Berlin. In der Open-Air-Ausstellung und in der App spannen wir daher einen weiten Bogen, vom Kaiserreich bis zur Friedlichen Revolution von 1989. Beide Projekte wurden vom Bezirk Lichtenberg und dem Senat von Berlin gefördert.
Im Vordergrund stehen Biografien von ehemaligen Insassen und Gefangenen, darunter von Menschen am Rand der Gesellschaft wie von Bettlern, Prostituierten oder Obdachlosen. Sie kamen im Anschluss an eine Haftstrafe nach Rummelsburg. Dort sollten sie durch einfache körperliche Arbeit „umgewöhnt“ werden. Mit dem Einsatz auf städtischen Rieselfeldern finanzierten sie aber hauptsächlich die „Besserungs- und Zwangsarbeitsanstalt“ wie die Verwaltung das Arbeitshaus nannte. In Rummelsburg befanden sich im Schnitt etwa 1.000 Menschen, überwiegend Ältere.
In der NS-Zeit verdoppelte sich deren Anzahl. Die Nazis ermordeten alle jüdischen Insassen im Rahmen der „NS-Euthanasie“. Während der DDR-Zeit waren im Gefängnis Rummelsburg Menschen wegen „asozialen Verhaltens“ inhaftiert. Und viele politische Gefangene, darunter Fluchthelfer aus dem Westen. Wenig bekannt ist auch, dass dort im Oktober 1989 hunderte Demonstrantinnen und Demonstranten in Garagen und auf einem Innenhof festgehalten wurden. Sie hatten in Mitte und Prenzlauer Berg während der offiziellen Feiern zum DDR-Staatsjubiläum protestiert.