Wissenschaftliche Veröffentlichungen im Netz werden nach wie vor kritisch beäugt. Trotzdem hat sich Dr. Stefanie Middendorf dazu entschieden, im Online-Nachschlagewerk Docupedia einen Artikel zum Thema "Masse" zu veröffentlichen. Die Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Professur für Zeitgeschichte der MLU Halle-Wittenberg erforscht zurzeit nicht nur die Geschichte der behördlichen Organisation des Reichsministeriums der Finanzen (RMF) von der Weimarer Republik bis in die frühe Bundesrepublik, sondern auch die Geschichte der Massenkultur. Doch aus welchen Gründen entschied sie sich als Autorin für ein Online-Nachschlagewerk aktiv zu werden und welche Kriterien müssen erfüllt sein, damit auch Online-Publikationen wissenschaftliche Anerkennung erfahren?
"Ein sehr viel direkterer und schnellerer Dialog mit Leserinnen und Lesern"
L.I.S.A.: Frau Dr. Middendorf, im Online-Nachschlagewerk Docupedia haben Sie vor Kurzem einen wissenschaftlichen Artikel zum Konzept "Masse" veröffentlicht. Warum haben Sie sich für eine Publikation in einem Online-Portal entschieden? Was spricht dafür?
Dr. Middendorf: Dieses Portal bietet einen Überblick über aktuelle Fachdebatten und über wichtige Begriffe und Methoden des Faches. Es richtet sich damit nicht zuletzt an ein studentisches Publikum, das sich in eine Thematik einlesen oder sich Fragestellungen erschließen möchte – und hier zeigt die Erfahrung, dass dieses Publikum sich in zunehmendem Maße eben über das Netz informiert, ob man das nun in Gänze begrüßen mag oder nicht. Insofern finde ich es sehr sinnvoll, in einem fachwissenschaftlich begutachteten Rahmen einen solchen Artikel online zu veröffentlichen und damit von Seiten der Wissenschaft einen qualitativ gesicherten Beitrag zum virtuell verfügbaren Wissen zu leisten. So können wir in der Vielzahl von Wissensfragmenten im Netz die Bewahrung wissenschaftlicher Standards selbst mitprägen.
Wichtig finde ich zudem die Möglichkeit, über Hyperlinks das Thema „Masse“ unmittelbar mit anlagernden Aspekten wie „Elite“, „Moderne“ oder „Herrschaft“ zu vernetzen, die ebenfalls auf Docupedia von ausgewiesenen Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen bearbeitet worden sind und auf diese Weise sehr rasch aufgesucht und zueinander in Beziehung gesetzt werden können. Diese Form der Nutzung durchbricht zwar gelegentlich das eigene Narrativ, bietet aber eine Multiperspektivität, die gerade bei dem Thema der „Masse“ angemessen ist. Meine ganz konkrete Erfahrung in diesem Fall ist zudem, dass diese Form der Online-Veröffentlichung einen sehr viel direkteren und schnelleren Dialog mit Leserinnen und Lesern – wie ja auch mit L.I.S.A. – auslöst. Dies finde ich sehr spannend und für die eigene Arbeit anregend. Beim Thema „Masse“ gilt dies umso mehr, als es in seinen gegenwärtigen Ausformungen selbst Themen wie die „Netzwerkgesellschaft“ oder „Schwarmintelligenz“ berührt, die mit virtueller Präsenz zu tun haben.