Die Erforschung von Ursachen für den Aufstieg und Fall von Reichen und Staaten ist seit ihren Anfängen eine der zentralen Aufgaben der Geschichtswissenschaft. Herodot hatte dabei den Antagonismus zwischen dem Perserreich und der griechischen Staatenwelt im Auge, Thukydides den zwischen Athen und Sparta. Ähnlich versuchten die Historiker des Hellenismus zu erklären, wie das einst mächtige Makedonenreich vom dem aufsteigenden Römischen Reich überwältigt werden konnte. Dafür musste es Gründe geben, auch psychologische. Der Historiker PD Dr. Dirk Rohmann von der Universität Hamburg geht in seiner jüngsten Publikation diesen psychologischen Erklärungsversuchen in der hellenistischen Geschichtsschreibung nach. Wir haben ihm dazu unsere Fragen gestellt.
"Ausdruck einer Störung der inneren Harmonie des Staates"
L.I.S.A.: Herr Dr. Rohmann, Sie haben im Rahmen eines Forschungsprojekts die hellenistische Historiographie auf ihre jeweilige Psychologie hin untersucht. Nun ist zuletzt die Publikation dazu erschienen: Psychologie in der hellenistischen Geschichtsschreibung. Bevor wir zu einigen Einzelheiten kommen – was hat Sie bewogen, dieses Thema wissenschaftlich anzugehen? Welche Beobachtungen und Überlegungen gingen Ihrem Projekt voraus?
PD Dr. Rohmann: Das Thema hat mich schon länger fasziniert, da meine früheren Bücher sich mit der römischen Kaiserzeit sowie dem Christentum in der Spätantike beschäftigt haben und gerade in letzterer Epoche die christliche Sorge um das Seelenheil sich nicht von der Frage der Heilung des Staates durch ein gemeinsames gottgefälliges Leben trennen lässt. In Rom haben dann bekanntlich Kaiser wie Caligula und Nero wie Wahnsinnige agiert – auch dies ist Ausdruck einer Störung der inneren Harmonie des Staates und zugleich Rechtfertigung für eine neue Ordnung.