Martin Luthers Reformation hat die Welt verändert, nicht nur Theologie und Kirche. In einem vielfältigen Prozess haben Luthers Ideen und ihre Wirkungen Kirche und Kultur, Wirtschaft und Gesellschaft transformiert und Wege in die Neuzeit gebahnt. Aus der Wiederentdeckung des Evangeliums erwuchs eine die Welt und die Menschen verändernde historische Kraft. Wer war dieser Mann? Was macht ihn groß? Wie kann man diese Größe angemessen zur Darstellung bringen? Was war das Zentrum seines Wirkens? Was bedeutet die Neuformulierung der christlichen Religion für die Wahrnehmung des Christlichen seither? Welche rechtlichen und gesellschaftspolitischen Folgen hatte diese Neuformulierung? Und wie kann es im gegenwärtigen gesellschaftlichen und intellektuellen Diskurs gelingen, die Anliegen der Reformation so zur Sprache und zur Geltung zu bringen, dass sie Denken und Glauben, intellektueller Redlichkeit und gegründeter Frömmigkeit gleichermaßen gerecht werden? Anlässlich des bevorstehenden Reformationsjubiläums gehen die Vorlesungen diesen und anderen Fragen nach, die für das gegenwärtige Leben elementar sind und auf die immer wieder neu zeitgemäße Antworten gefunden werden müssen.
Alle Vorträge finden statt in den
Baseler Hof Sälen, Esplanade 15, 20354 Hamburg.
Rollstuhlgeeigneter Zugang über Esplanade 16.
Der Eintritt ist frei.
Um Anmeldung wird gebeten unter www.awhamburg.de/veranstaltungen
Termine, Themen, Referenten:
27. Oktober 2016, 19:00 Uhr
Prof. Dr. Volker Leppin, Tübingen
Martin Luther oder: Wie schreibt man die Biographie eines Großen der Weltgeschichte?
Martin Luther scheint bekannt – und wird vor 2017 noch immer bekannter. Sein Bild, vielfach durch das Logo der Jubiläumsvorbereitung verbreitet, dürfte zu den bekanntesten Portraits historischer Persönlichkeiten gehören. Für den Biographen stellt genau dies eine Schwierigkeit dar: Will er den historischen Gegebenheiten gerecht werden, so muss er gewissermaßen unter der Wirkungsgeschichte hindurchtauchen und sein Bild aus den zeitgenössischen Quellen rekonstruieren. Auch sie sind für Luther zahlreich – aber nicht einfach auszuwerten, denn die Stilisierung und Selbststilisierung setzte schon zu Lebzeiten Luthers ein. Der Vortrag führt, rechtzeitig vor dem großen Jubiläum, in diese Problemlage ein.
17. November 2016, 19:00 Uhr
Prof. Dr. Notger Slenczka, Berlin
Die Neuformulierung des christlichen Glaubens in der Reformation
Die Reformation war ein Umbruch mit Folgen in allen Bereichen der damaligen Gesellschaft. Im Zentrum steht nicht einfach eine Neuformulierung der 'Rechtfertigungslehre', sondern eine 'Revolution' des Verständnisses des Christentums, die auf die Formel gebracht werden kann, dass nach Einsicht der Reformatoren im Zentrum der christlichen Religion und damit der Theologie – der 'Rede von Gott'! – der Mensch steht. Das hat Folgen – und zwar beileibe nicht nur in der Theologie.
15. Dezember 2016, 19:00 Uhr
Prof. Dr. Peter Unruh, Kiel
Die Unterscheidung von Geistlichem und Weltlichem in der Reformation – ein Segen für die Nachwelt
Vor dem Hintergrund der spätantiken „Civitas-Lehre“ des Augustinus und der mittelalterlichen Theorie von den zwei Schwertern hat die Reformation den Keim für ein neues Verständnis des Verhältnisses von Staat und Kirche gesetzt. Der Vortrag liefert einen Überblick über die einschlägigen Ansichten der maßgeblichen Reformatoren und zieht eine Verbindungslinie zum aktuellen Religionsverfassungsrecht unter dem Grundgesetz.
19. Januar 2017, 19:00 Uhr
Prof. Dr. Volker Gerhardt, Berlin, und Prof. Dr. Dietrich Korsch, Marburg
Glaubensgewissheit und Weltvertrauen
Mit „Welt“ wird in der Regel die Gesamtheit alles dessen bezeichnet, was war, was ist und was der Fall sein wird. Zur Welt gehört insbesondere auch der Mensch, der sie zu erkennen sucht. Zur Bemühung um Erkenntnis aber gehört das Vertrauen auf Zusammenhänge, die der Mensch zu verstehen glaubt, sodass er sie seinem Handeln zugrunde legen kann. Spätestens in diesem mit der Erkenntnis beanspruchten „Grund“ sind das Erkennen und das Wissen auf Bedingungen bezogen, die man sowohl dem Handeln als auch dem dabei verwendeten Wissen unterstellen muss. Das aber heißt, man muss auch der Welt, zu der der Mensch mit seinem Handeln gehört, einen Grund zusprechen. Anders ließe sich weder auf das Wissen noch auf die Wissenschaft vertrauen. Davon geht auch der Glaube aus, den man als ein auf die Welt als Ganzes bezogenes Vertrauen ansehen kann. So haben es die Reformatoren verstanden. Also haben wir allen Grund, im Jubiläumsjahr der Reformation an den ursprünglichen Zusammenhang von Wissen, Gewissheit und Weltvertrauen zu erinnern. Dabei zeigt sich, wie sehr der Glauben an einen Gott von der Überzeugung getragen ist, dass dem Menschen in der Welt eine besondere Bedeutung zukommt. Die aber hat er nicht schon deshalb, weil er sich für etwas Besseres hält, sondern weil er bereits mit dem Wissen Verantwortung für sein Dasein in der Welt übernimmt. Es ist dies eine Verantwortung, die er schlechterdings nicht allein zu tragen vermag.