Dass Sprache im stetigen Wandel ist, machen gegenwärtig nicht zuletzt Debatten um das Gendern oder um die Einführung von Anglizismen deutlich. Während neue Wörter in den Wortschatz aufgenommen werden – meist symbolisch kodifiziert durch die Aufnahme in den „Duden“ – verlieren andere an Bedeutung, oder gehen ganz verloren. Der Germanist Dr. Michael Schwarzbach-Dobson hat ein Buch über verschwundene Wörter des Mittelalters geschrieben. Wir haben ihn gefragt, warum Wörter überhaupt verschwinden und was vom Mittelalter in der modernen deutschen Sprache noch übrig ist.
„Neue Begriffe verdrängen manchmal bereits existierende Wörter“
L.I.S.A.: In unserer Interviewreihe „geschichtlich gesprochen“ beschäftigen wir uns eigentlich mit historischen Sprichwörtern und Redewendungen, die gerade nicht verlorengegangen sind, sondern in unserem alltäglichen Sprachgebrauch weiterleben. Sie haben dagegen ein Buch über verschwundene Wörter des Mittelalters geschrieben. Warum verschwinden manche Wörter eigentlich?
Dr. Schwarzbach-Dobson: Dass manche Wörter aus unserer Alltagssprache verschwinden oder durch andere Wörter ersetzt werden, ist eine Erfahrung, die wir ja auch heute ständig machen, und über die bekanntlich viel diskutiert wird – Stichwort Anglizismen. Das war im Mittelalter nicht viel anders, nur dass sich die damalige adlig-höfische Gesellschaft stark an der französischen Sprache und Kultur orientiert hat. Nur ein Beispiel: unser heutiges Wort ‚Preis‘ ist eines der Wörter, welches das Mittelhochdeutsche – die Sprachstufe des Deutschen im Mittelalter – aus dem Altfranzösischen (pris) übernommen hat. Solche neuen Begriffe verdrängen dann manchmal bereits existierende Wörter. Mit dem Ende des Mittelalters und seiner Ritterkultur fallen dann natürlich wiederum viele Wörter der höfischen Gesellschaft weg oder ändern ihre Bedeutung. Um auf den ‚Preis‘ zurückzukommen: Das mittelhochdeutsche prîs heißt noch ‚Lob‘ oder ‚Auszeichnung‘ (wir kennen es heute so noch als etwas altertümliches Verb: jemanden preisen). Die Bedeutung von ‚Kaufpreis‘ oder ‚Geldwert‘ setzt sich erst zu Beginn der Frühen Neuzeit durch – vielleicht ein Hinweis darauf, dass nun weniger eine an Ehre interessierte Adelskultur dominiert als ein Kaufmannswesen.