Der Spitzensport war nicht nur ein Aushängeschild der Deutschen Demokratischen Republik und ein wichtiges Werkzeug im "Kalten Krieg auf der Aschenbahn" gegen die Bundesrepublik, sondern auch ein besonderer Bestandteil der Außenpolitik. Gerade im Umfeld der frisch unabhängig gewordenen Staaten des afrikanischen Kontinents boten sich der Parteiführung Möglichkeiten der Einflussnahme und des Kontaktaufbaus. In seiner Dissertation „Turnschuhdiplomatie. Die internationalen sportpolitischen Beziehungen der DDR nach Afrika als besonderer Bestandteil ihrer Außenpolitik (1955-1990)“ hat Dr. Daniel Lange die Geschichte des DDR-Sports untersucht und wir haben ihm unsere Fragen dazu gestellt.
"In solche Forschungslücken immer wieder neu vorzustoßen, darum geht es"
L.I.S.A.: Dr. Lange, in Ihrer kürzlich erschienen Dissertation haben Sie sich mit den internationalen sportpolitischen Beziehungen der DDR nach Afrika beschäftigt. Wie sind Sie zu dem Thema gekommen und was reizt Sie an der Verschränkung von Sport und Politik?
Dr. Lange: Es ging mir ein bisschen wie Wilhelm von Humboldt, für den Wissenschaft etwas „nie ganz Gefundenes und nie ganz Aufzufindendes“ war. Heißt, man ist natürlich herausgefordert, wenn Themen „ausgeforscht“ scheinen. Wie die DDR-Geschichte, zu der ja immer wieder bereits „alles gesagt“ sein soll. Dabei sind es die für eine historisch facettenreiche Einordnung notwendigen Zwischentöne und unbekannten Aspekte, die so interessant sind. Dazu zählt auch der Auslandssport der DDR, die ja anders als das heutige Deutschland mit dem Anspruch antrat, international bei der Entwicklung des Sports nicht nur irgendwie „dabei zu sein“, sondern ihr Tempo in der Weltspitze mitzubestimmen. Dass auch deshalb seit 1990 oft die geheimdienstliche Überwachung des Leistungssports, der Medikamentenmissbrauch zur Leistungssteigerung (Doping) und der Konflikt mit der Bundesrepublik um die Überlegenheit des politischen Systems auch im Sport untersucht wurden, lag nahe. Zugleich versperrte das aber den Blick über den deutsch-deutschen Tellerrand hinaus und nahm zudem die Chance, die Perspektive z.B. afrikanischer Staaten und ihre Intentionen im Umgang mit beiden deutschen Staaten zu beachten. So blieb das Vorgehen des Auslandssports der DDR bezüglich ihrer auswärtigen Fixpunkte weitgehend unerforscht. Das betrifft z.B. sein ambivalentes (Konkurrenz-)Verhältnis zur Sowjetunion, seine Beziehungen zu den Staaten des Warschauer Paktes und eben auch die Sportkontakte nach Afrika. In solche Forschungslücken immer wieder neu vorzustoßen, darum geht es. Bei meiner vorherigen Forschungsarbeit über den ersten (und einzigen) Blauhelmeinsatz der DDR (übrigens gemeinsam mit der Bundesrepublik) in einer Friedensmission der Vereinten Nationen noch 1989/90 in der ehemaligen deutschen Kolonie Deutsch-Südwestafrika / Namibia (Buchtitel: „Auf deutsch-deutscher UN-Patrouille“), war das ganz ähnlich. Diese skurrile Episode deutsch-afrikanischer Geschichte war völlig in Vergessenheit geraten. Insofern war auch diese Vorerfahrung Teil meiner Motivation.