Deakzession – So lautet der terminus technicus für das "Entrümpeln" eines Museums. Jedes Kind weiß – und sicherlich alle Leserinnen und Leser unseres Portals –, dass das Sammeln und Verwahren die oberste Aufgabe von Museen ist. Doch was, wenn das Depot voll und schlicht kein Platz mehr für neue Objekte da ist? Meist verleihen, verkaufen oder verschenken Museen ihre Objekte dann an andere Museumshäuser. Einen anderen Weg ist das Regionalmuseum Chüechlihus im Schweizer Emmental gegangen. Es hat die Emmentaler Bevölkerung über das Schicksal von Objekten aus seiner Sammlung mitentscheiden lassen. Mehr als 1.500 Objekte haben so ein neues Zuhause gefunden. Wir haben die Museumsleiterin Carmen Simon zu diesem ungewöhnlichen Vorgang befragt.
"Den Deakzessionsobjekten eine Wiederbelebung ermöglichen"
L.I.S.A.: Frau Simon, wie das Sammeln gehört auch das Entsammeln zur Aufgabe von Museen. Sie sind dabei aber einen ganz ungewöhnlichen Weg gegangen, haben die lokale Bevölkerung mitentscheiden lassen und viele Objekte stehen jetzt sogar wieder in Privathaushalten. Was waren die Ziele, die Sie mit diesem Projekt erreichen wollten?
Simon: Mit der Entsammlung, wie wir sie durchführen, haben wir tatsächlich aufgrund der transparenten und partizipativen Vorgehensweise die bisherigen Pfade, die bei einer Deakzession in einem Museum beschritten worden sind, verlassen. Wir befinden uns aktuell kurz vor der dritten Durchführung unseres Entsammlungsprojektes und deshalb auch noch mitten im Prozess. Dabei verfolgen wir unterschiedliche Ziele, wobei auch die notwendige Prozessoffenheit dazu führen darf, dass Ziele angepasst werden können. Und geht es bei unserem Entsammlungsprojekt insbesondere darum:
- Die Sammlung des Regionalmuseum durch die Entsammlung unpassender und überzähliger Objekte langfristig repräsentativer und aussagekräftiger zu gestalten.
- Eine sorgfältige Entsammlung durchzuführen.
- Den Deakzessionsobjekten durch die öffentliche Aufmerksamkeit eine Wiederbelebung zu ermöglichen.
- Transparent zu sein, indem wir regelmässig relevante Schritte und Informationen kommunizieren. Ausserdem dokumentieren wir den Deakzessionsprozess selbst und machen diesen sicht- und erlebbar.
- Die tatsächlichen Eigentümer:innen des kulturellen Erbes im Emmental zu involvieren. In den Objekten, die im Regionalmuseum Chüechlihus bewahrt, vermittelt und diskutiert wird, schlummert die Vergangenheit der lokalen Bevölkerung.
- Die Bevölkerung die Geschichte des Emmentals mitschreiben zu lassen.
- Zu Auseinandersetzung mit Geschichte und Kultur anzuregen sowie zu Debatte/n über das Kulturerbe anzustossen.
- Erfahrbar zu machen, dass die Auseinandersetzung mit dem Kulturerbe Freude bereiten kann.
- Mit dieser Art von Deakzession ein Versuchsfeld sein, weil die Entsammlung in vielen Museen aktuell ein grosses Thema ist und man aber nicht immer weiss, wie damit umzugehen ist.
- Mit diesem Projekt wegweisend für die Zukunft der Region und ein Modell für die weitere Museumsarbeit sein.