Beim Länderspiel der Deutschen Fußballnationalmannschaft der Frauen am 9. April in Aachen gegen die isländische Auswahl liefen die deutschen Spielerinnen mit einem besonderen Aufwärmtrikot auf. Die Angaben „4:16h“ und „2:57h“ auf ihren schwarzen Trikots sollten auf den sogenannten Gender Care Gap aufmerksam machen. Demnach leisten Frauen – so eine Erhebung des Statistischen Bundesamtes – im Tagesschnitt 79 Minuten mehr unbezahlte Care-Arbeit, also Tätigkeiten wie Kindererziehung, Pflege und Hausarbeit, als Männer das tun. Zeit, die Frauen fehlt, um Freizeitaktivitäten oder beruflichen Ambitionen nachzugehen, was wiederum in eine andere Lücke, den sogenannten Gender Pay Gap, einfließt. Mit diesem beschäftigen sich die Historikerinnen Dr. Johanna Wolf (Max-Planck-Institut für Rechtsgeschichte) und PD Dr. Wiebke Wiede. In dem Band „Gender Pay Gap. Vom Wert und Unwert von Arbeit in Geschichte und Gegenwart“ haben sie historische Perspektiven auf die Lohnungleichheit von Mann und Frau gesammelt. Wir haben ihnen dazu unsere Fragen gestellt.
„Tiefsitzende gesellschaftliche Strukturen, die sich nur sehr langsam verändern lassen“
L.I.S.A.: Frau Dr. Wiede, Frau Dr. Wolf, Sie haben zusammen mit Rainer Fattmann einen Sammelband herausgegeben, der sich mit dem „Wert und Unwert von Arbeit in Geschichte und Gegenwart“ beschäftigt, genauer: der Lohnlücke zwischen Mann und Frau, oder neudeutsch: dem Gender Pay Gap. Warum braucht es den Blick in die Geschichte, um den Gender Pay Gap erklären zu können?
Dr. Wolf: Uns war es ein dringendes Anliegen zu zeigen, wie weit die Wurzeln der Lohnungleichheit zurückreichen, wie komplex dieses Phänomen ist und wie vielschichtig auch der Kampf gegen dieses. Angesichts des sich sehr hartnäckig haltenden Gender Pay Gaps in Deutschland bei rund 20 Prozent, könnte man argumentieren, aus der Geschichte wurde wenig gelernt. Aber unser Buch zeigt, dass es sehr tiefsitzende gesellschaftliche Strukturen sind, die sich auch nur sehr langsam verändern lassen.
PD Dr. Wiede: In der Tat ist es auffällig, wie hartnäckig geschlechtsspezifische Zuschreibungen im Bereich von Erwerbsarbeit wirkten und Frauen in verschiedenen sozialen Milieukontexten schlicht als verfügbare Ressource von Produktivität betrachtet wurden. Michaela Bräuninger und Mareike Witkowski zeigen dies in ihren Beiträgen unseres Bandes an den Beispielen von Dienstmädchen oder den Pfarrfrauen eindrücklich. Die historische Perspektive macht aber auch deutlich, in welchen allgemeinen historischen Entwicklungen, Chancen und Gelegenheiten vorhanden waren, den Gender Pay Gap zu verringern. Durchaus überraschend war es für mich, dass die Durchsetzungskraft von Equal Pay-Forderungen ganz wesentlich mit der Entwicklung supranationaler Standards von Entlohnung zusammenhängt. Erst weltweite emanzipatorische Bewegungen von Feministinnen in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts konnten, Silke Neunsinger und Ragnheiður Kristjánsdóttir arbeiten dies in ihrem Beitrag heraus, den Gender Pay Gap systematisch und mit erkennbaren Erfolgen bekämpfen.