Als Stipendiat der Stiftung Polytechnische Gesellschaft Frankfurt bin ich zusammen mit zwei Kollegen im Rahmen des Leitprojekts „StadtteilHistoriker“ mit der Erforschung der Entwicklung und Geschichte der Textorstraße im Frankfurter Stadtteil Sachsenhausen beschäftigt. Die Textorstraße war zunächst eine Eisenbahntrasse. Im Jahr 1899 wurde diese seit 1886 nach dem nach Arzt und Kommunalpolitiker Johann Georg Varrentrapp benannte Straße umbenannt. Seitdem trägt sie den Namen der Juristenfamilie Textor, der Goethes Mutter entstammt.
Sachsenhausen näher betrachtet
Die Textorstraße - Geschichte und Geschichten
Die Industriealisierung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, die in Europa vor allem in und um die Städte stattfand. Der Zuzug der dafür benötigten Arbeitskräfte vom Land in die Städte verlangte Reaktionen, dass heißt großflächige Stadterweiterungen - auch in Frankfurt. Im Zusammenhang mit der Errichtung des Frankfurter Hauptbahnhofs kam es in Sachsenhausen zum Bau einer neuen Eisenbahntrasse.
Sachsenhausen hatte zu Beginn des 19. Jahrhunderts circa 5.000 Einwohner, deren Zahl bis 1866 auf etwa 8.000 angewachsen war. Bereits 1880 zählte man schon 18.000, um 1885 sollen es bereits circa 23.000 Einwohner gewesen sein. Die Einwohnerzahl Sachsenhausens war damit in kurzer Zeit schneller gewachsen als die Gesamtbevölkerung Frankfurts. Dieses Wachstum der Bevölkerung verursachte den Bauboom, der in Sachsenhausen zu den heute weitgehend erhaltenen gründerzeitlichen Vierteln führte. Der kurze Zeitraum in dem die Mehrzahl der Häuser an der Textorstraße gebaut wurden – von 1899 bis 1907 – verdeutlicht den Wachstumsdruck der Bevölkerung auf die Bautätigkeit.
Das erste Wohnhaus wurde auf dem Grundstück Textorstraße 30 (Ecke Bruchstraße) errichtet. Im Jahr 1899 folgten dann weitere Gebäude zwischen der Schweizer Straße und der Oppenheimer Landstraße und zwischen der heutigen Martin-May- und der Bruchstraße. Bis 1907 ist – mit Ausnahme des Gebiets eines ehemaligen Fabrikgeländes (Zimmersche Chininfabrik) – die Textorstraße bereits komplett bebaut. Zwischen den Wohngebäuden befanden sich ein Straßenbahn-Depot, ein Waldbahn-Depot und zwei Schulgebäude (Textor- und Holbeinschule).
Bei Projektbeginn im November 2010 war uns das alles bekannt. Wir wollten nun zunächst einmal mehr über die Bevölkerungsstruktur der Straßen wissen und haben deshalb mit einer konsequenten Auswertung der Frankfurter Adressbücher begonnen. Als Einstieg habe ich das Jahr 1902 gewählt und die Auswertung bis in das Jahr 1975 fortgesetzt, wobei nur für die hauptsächlichen Gründerzeit-Baujahre von 1902 bis 1905 eine jährliche Auswertung und danach eine pro Dekade gewählt wurde. In einer Excel-Kreuztabelle wurden alle Einträge der Adressbücher übernommen. In den senkrechten Spalten die Jahre (1902, 1903, 1904, 1905, 1915, 1925, 1935, 1943, 1955, 1965 und 1975) und in den waagerechten Zeilen in allen Liegenschaften (Vorder- und Hinterhaus) die Namen der Haushaltsvorstände und deren Beruf eingetragen. Die Etagenzuordnung der Bewohner erfolgte in den Adressbüchern nur bis in die 1940er Jahre. Die im Frankfurter Institut für Stadtgeschichte (ISG) als Mikro-Fich verfügbaren Adressbücher wurden seitenweise ausgedruckt und dann in die Excel-Tabelle manuell übertragen. Bedingt durch die zum Teil schlecht lesbaren Mikro-Fich konnten einige Einträge nicht oder nur teilweise übertragen werden. Derartige Einträge wurden in der Tabelle vermerkt. Um die Navigation in der Datei zu erleichtern wurden die einzelnen Jahrgänge (Spalten) farblich gekennzeichnet.
Zeitgleich zu einer im April und Mai 2012 präsentierten Ausstellung mit Dokumenten, Plänen, Fotos und Texten ergab sich die Möglichkeit die statistischen Auswertungen der Berufe der Haushaltsvorstände der Textorstraße bei l.i.s.a. (lesen.informieren.schreiben.austauschen) einzustellen. Leider hatte ich zu diesem Zeitpunkt noch keine befriedigende Lösung gefunden die Einträge aus der großen Excel-Datei in einer lesbaren Form zu zeigen. Mir war wichtig, die Tabelle als ein einziges großes Blatt zu zeigen. Ausgedruckt (geplottet) hat die Datei ein Format von 2 x 5 Meter, also die Größe mehrerer Tapetenrollen. Mit Unterstützung eines ehemaligen Kollegen, der eine Vollversion der Software Acrobat-Writer besitzt, ist es inzwischen gelungen die Excel-Datei im pdf-Format abzuspeichern. Weil dieses Programm als maximale Formatgröße DIN A0 erlaubt, bedarf es einer Erhöhung der Ansicht (Auflösung) auf etwa 600 %. Das ist möglicherweise für etwas ungeübte Betrachter und User gewöhnungsbedürftig, anderseits erlaubt es dadurch auch die Auswahl einer individuellen Schriftgröße.
Unsere Projektarbeit befindet sich mittlerweile auf der Zielgeraden. Im November 2012 werden wir bei der Edition Henrich ein Buch mit folgendem Titel veröffentlichen:
Sachsenhausen näher betrachtet
DIE TEXTORSTRAßE
Geschichte und Geschichten