„Die Mission ist weiblich“
Eine Hermannsburger Tagung fragte nach den Frauen in der Mission
Unter dem programmatischen Titel „Die Mission ist weiblich“ fand in Hermannsburg kürzlich eine Tagung statt, die die weiblichen Akteuren der Mission in den Mittelpunkt stellte. Lange genug standen die Missionarsfrauen, Missionsfreundinnen und Bibelfrauen im Schatten der Männer: Missionsgeschichte war weitgehend eine Männergeschichte. Darum richtete das Ludwig-Harms-Symposion den Blick diesmal ganz bewusst auf die Frauen in der Hermannsburger Mission, um verschüttete Lebensläufe und Perspektiven freizulegen.
In ihrem Einleitungsvortrag nahm die Baseler Theologin Christine Lienemann die vierzig Tagungsteilnehmerinnen und Tagungsteilnehmer mit auf eine Reise durch die Kirchengeschichte. Sie stellte heraus, dass Frauen immer wieder kreative Formen fanden, um ihren Glauben zu leben und weiterzugeben. „Entscheidend ist allerdings, an welchen biblischen Leitbildern sich Kirche und Gesellschaft orientierten“, fasste sie zusammen. „War es das Modell der Unterordnung der Frauen? Oder das Leitbild der Gleichwertigkeit von Frauen und Männern vor Gott?“
In insgesamt elf Kurzvortragen zu Frauen aus dem 19. Jahrhundert wurde dann das weibliche Gesicht der Mission immer deutlicher. Frauen leisteten für die Hermannsburger Mission einen wesentlichen Beitrag. Egal, ob sie die Mission als Missionsfreundinnen in Deutschland unterstützten oder als Missionarsfrauen nach Übersee ausreisten. Besonders spannend war der Blick auf die einheimischen Evangelistinnen und Bibelfrauen in Südafrika und Indien. Wie der indische Theologe Gladson Jathanna am Beispiel der Indienmission herausstellte, waren die einheimischen Bibelfrauen gleich in mehrfacher Hinsicht innovativ: Mit ihrer Arbeit überwanden sie nicht nur Kastengrenzen, sondern setzten auch hinter manche Vorstellungen der Missionsleitungen ein Fragezeichen.
Ein besonderer Höhepunkt der Tagung war eine Buchvorstellung. Martina Helmer-Pham Xuan, die Direktorin des Evangelisch-lutherischen Missionswerks in Hermannsburg (ELM), und die ELM-Frauenbeauftragte Nina Dürr haben mit 15 Hermannsburger Missionarsfrauen ein Buch erarbeitet, in dem die Missionarsfrauen ihre Lebenserinnerungen schildern. Unter Überschriften wie „Phase der Entscheidung“ „Leben und Arbeiten als Missionarsfrau“, „Begegnungen mit Frauen in der Fremde“, „Krankheit und Tod, Rückkehr“ geben sie lebendige Einblicke in ihr Leben auf mehreren Kontinenten. Bei der Lesung aus diesem Buch wurden viele Themen deutlich, die auch schon das Leben von Missionarsfrauen im 19. Jahrhundert geprägt hatten.
Das Ludwig-Harms-Symposion findet alle zwei Jahre in Hermannsburg statt und dient der Aufarbeitung und Vergegenwärtigung der Hermannsburger Missionsgeschichte. Die wissenschaftlichen Beiträge des Symposions werden 2011 voraussichtlich in einem Tagungsband erscheinen.
Literaturhinweis:
Martina Helmer-Pham Xuan, Nina Dürr (Hg.): Abschied gehörte dazu. Lebensspuren Hermannsburger Missionsfrauen im 20. Jahrhundert, LIT Verlag 2010, 168 S., 14.90 EUR.
Reaktionen auf den Beitrag
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meine prinzipielle Frage wäre, ob Ihre Urgroßmutter katholisch war. Dann wäre es evtl. denkbar, dass sie zu einer Gruppe wie den „Katechetischen Missionarinnen der Unbefleckten Jungfrau Maria" gehört hat bzw. sich in deren Umfeld bewegte (die genannten Missionarinnen reisten allerdings erst 1889 nach Indien aus).
Auch auf evangelischer Seite gab es eine Frauenmission in Indien (z. B. von der Hermannsburger Mission oder von der Basler Mission, die in auch in Süddeutschland sehr große Unterstützung fand).
Motivrahmen war in jedem Fall die große Missionsbegeisterung im 19. Jh., daneben vielleicht auch Abenteuerlust und die Freude am Exotischen als Motiv.
Das sind nur einige denkbare Suchrichtungen. Genauere Vermutungen lassen sich anstellen, wenn man Genaueres über Ihre Urgroßmutter weiß.
MIt besten Grüßen nach Baden-Baden:
Ihr Gunther Schendel
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meine Urgroßmutter (vor ihrer Ehe) und deren Schwester waren Missionarinnen in Indien, Ort nicht mehr bekannt. Ich frage mich, was sie damals (1860/70) dazu bewogen hat. Sie waren in einer wohlhabenden katholischen Familie aufgewachsen. Urgroßmutter reiste über Rußland zurück und brachte einen Samovar mit, der noch heute in unserem Besitz ist.
Bin in Vorbereitung eines Familientreffens und falls Sie Zeit haben, mir etwas mitzuteilen, bin ich Ihnen sehr dankbar.
Viele Grüße aus Baden-Baden, Ingrid Lauck-Oelze
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leider komme ich erst jetzt zum Beantworten Ihrer Frage.
Es war für Frauen bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts sehr schwer, nicht nur als Anhang des Missionars wahrgenommen zu werden. In Hermannsburg, dem letzten verbliebenen Missionsseminar in Deutschland, wurden Frauen erst ab den 1990er Jahren ausgebildet.
Allerdings gab es auch schon vor Beginn des 20. Jahrhunderts Ansätze einer Mission an Frauen durch Frauen. Ein Beispiel ist hier die Zenana-Mission in Indien (begonnen durch Johanna Wörrlein).
Bis in die Sechziger/Siebziger Jahre des 20. Jahrhunderts geschah solche Arbeit durch (zuhause darauf nur unzureichend vorbereitete) Missionarsfrauen oder - weniger systematisch - durch entsandte Diakonissen. Diese Diakonissen hatten, weil sie ein bestimmtes, kirchlich hoch akzeptiertes Weiblichkeitsbild verkörperten, innerhalb der Missionsgesellschaften einen festen Status.
Die Aussagen, die ich hier in aller Vorläufigkeit mache, gelten v. a. für die Hermannsburger Mission, eine der großen deutschen Missionsgesellschaften, die seit dem 19. Jh. u. a. in Indien und Südafrika tätig war.
Weiteres läßt sich dem Tagungsband entnehmen, der 2011 in der Reihe: Quellen und Beiträge zur Geschichte der Hermannsburger Mission erscheinen wird.
Mit besten Grüßen und Wünschen zum Christfest:
Ihr Gunther Schendel
Auf der Tagung wurde deutlich, dass die
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Über eine Antwort würde ich mich sehr freuen.
Freundliche Grüße
F. Bonse