Im Laufe der Forschungsreise konnte ich verschiedene Museen mit Sammlungen zu indigenen Völkern Südamerikas kennenlernen. Meine Arbeit konzentrierte sich jedoch vor allem auf Berlin, auf das Ethnologischen Museums in Berlin, das 1873 als Königliches Museum für Völkerkunde zu Berlin gegründet wurde und sehr alte, von der Preußischen Königlichen Kustkammer geerbte Sammlungen beherbergt. Der Schwerpunkt der Forschung in Berlin lag aus verschiedenen Gründen auf Projekten aus der Anfangszeit des Ethnologischen Museums im 19. Jahrhundert.
Nicht lange nach der Gründung des Königlichen Museums für Völkerkunde war die Expedition in den brasilianischen Amazonas Teil der Bestrebungen des Museums, Sammlungen auf der Grundlage technischer und wissenschaftlicher Kriterien aufzubauen. Im Jahr 1888 wurde eine Expedition in die Region des Araguaia-Flusses unternommen, die bis dahin von spezialisierten Forschern kaum untersucht und dokumentiert worden war. Die Expedition wurde von Paul Ehrenreich geleitet. Eine zweite Gruppe, geleitet von Karl von den Steinen, reiste an den Fluss Xingu in der Nähe des Araguaia.
Die Karajá standen zu dieser Zeit in wachsendem Austausch mit nicht-indigenen Völkern. Eine französische Expedition hatte die Region in den 1840er Jahren durchquert und mehrere brasilianische Expeditionen bis 1888. In den 1860er Jahren wurde die Vapor do Araguaia eingeweiht, eine Dampfschiffsroute, die die Städte der damaligen Provinz Goyás mit den Häfen der Stadt Belém in der damaligen Provinz Grão-Pará verband. Die Karajá-Bevölkerung lebte also in den 1880er Jahren mit dem Flussverkehr von Nicht-Einheimischen und dem Bau von kleinen Dörfern, Städten und Gefängnissen entlang des Araguaia-Flusses, die als Zwischenstationen für die Dampferroute dienten.
Paul Ehrenreich, der auch der Berliner Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte angehörte, sammelte – nach den wissenschaftlichen Kriterien und Methoden seiner Zeit – verschiedene Objekte der Karajá, verfasste ethnographische Texte, Reiseberichte und Beiträge zur Anthropologie und Ethnologie in Brasilien. So wurden seine Arbeit und seine Sammlung zu wichtigen Referenzen für das Leben und die Beziehungen zwischen indigenen und nicht-indigenen Völkern in der Region Araguaia Ende des 19. Jahrhunderts. Nach dem Brand des Nationalmuseums im Jahr 2018 ist die von Ehrenreich aufgebaute Sammlung zudem die älteste bekannte Karajá-Sammlung.
Durch die Zeit in Deutschland und die Forschung in den Sammlungen hat sich eine neue Perspektive für die Zusammenarbeit zwischen Anthropologie und den Familien des Karajá-Volkes ergeben: In Deutschland gibt es viele Sammlungen aus dem brasilianischen Amazonasgebiet, die im Laufe der Jahrhunderte zusammengetragen wurden. Der Zugang zu Sammlungen, wie der der Karajá, hat verschiedene Ergebnisse hervorgebracht, die helfen können, die Geschichte der Beziehungen zwischen indigenen Völkern, Brasilien und Deutschland zu ergründen. Auch von Seiten der Karajá besteht seit einiger Zeit großes Interesse von Familien aus verschiedenen Dörfern an den Sammlungen für die Suche nach Informationen über Gegenstände, die von ihren Vorfahren hergestellt wurden und sich heute an so weit entfernten Orten befinden.
Daher werden die nächsten Schritte der Arbeit darin bestehen, die Workshops fortzusetzen, die wir mit den Sammlungen des Nationalmuseums in den Dörfern der Karajá durchgeführt haben, und die wir nun durch die Arbeit in den deutschen Museen besser kennenlernen konnten. Die Sammlung des Ethnologischen Museums in Berlin zum Beispiel wird von grundlegender Bedeutung sein, um die Diskussionen fortzusetzen, die wir bereits in Brasilien über mögliche neue Klassifizierungen, Bedeutungen, Handhabungen und Aufbewahrungsmöglichkeiten der Objekte begonnen haben – durch die Interpretations- und Verständnisangebote der Karajá-Familien. Gleichzeitig ergibt sich so die Gelegenheit, Museumspraktiken zu überdenken und mit den Lebensweisen und dem Wissen der indigenen Bevölkerung in Einklang zu bringen und dabei auch mögliche Einschränkungen oder spezifische Anforderungen zu berücksichtigen. Aber das ist nur mit diesem ersten Schritt möglich, der darin besteht, das Wissen und die Informationen über diese Sammlungen den indigenen Gemeinschaften und Familien, die daran interessiert sind, zugänglich zu machen.