Der Historische Roman gehört zu den beliebtesten Genres auf dem Buchmarkt. Titel wie Die Säulen der Erde, Die Päpstin oder Der Name der Rose gehören zu den Bestsellern der Belletristik. Dass diese Popularität kein neues Phänomen ist, zeigt die Historikerin Dr. Stefanie von Rüden in ihrem Dissertationsprojekt, innerhalb dessen sie das beliebte Genre und seinen Markterfolg in Deutschland für die Jahre 1913 bis 1933 untersucht hat. Zentral ist in diesem Zusammenhang die Frage, welche Geschichtsbilder über Historische Romane transportiert werden. Dieser Ansatz korrespondiert auch mit unserer nächsten Ausgabe von Der Geschichtstalk im Super7000 am kommenden Donnerstag, in der wir danach fragen werden, ob uns Historische Romane letztlich nicht mehr über die Gegenwart als über die Vergangenheit sagen. Diese und anschließende Fragen haben wir vorab Dr. Stefanie von Rüden gestellt.
"Das Potenzial haben zu polarisieren und Emotionen zu wecken"
L.I.S.A.: Frau Dr. von Rüden, Sie haben sich in Ihrem Dissertationsprojekt, das jetzt als Buch vorliegt, mit dem Genre des Historischen Romans beschäftigt. Bevor wir zu Einzelheiten kommen – wie kamen Sie zu diesem Thema? Sind Sie eine leidenschaftliche Leserin von Historischen Romanen? Hat Sie einer dabei besonders inspiriert?
Dr. von Rüden: Bevor ich begann, mich im Rahmen meines Dissertationsprojekt intensiv mit historischer Belletristik zu beschäftigen, machte ich die Erfahrung, dass historische Romane das Potenzial haben zu polarisieren und Emotionen zu wecken – und das nicht nur beim Lesen, sondern auch in der anschließenden feuilletonistischen Diskussion und darüber hinaus. Ein Beispiel: Ich besuchte gerade ein Germanistik-Seminar zur Kinder- und Jugendliteratur, in dem wir Studierenden von unserem Dozenten aufgefordert wurden, über eigene prägende Leseerfahrungen zu berichten, und eine junge Kommilitonin nannte Die Säulen der Erde von Ken Follett. Es folgte ein spontaner, überraschend emotional gehaltener Vortrag unseres Dozenten über verzerrte Geschichtsbilder, literarische Sprachstile und eine seiner Meinung nach fragwürdige Bestseller-Platzierung.
Damals als Lehramtsstudentin mit der Fächerkombination Deutsch/Geschichte habe ich natürlich (auch historische) Romane gelesen. Und natürlich waren einige dabei, die mich fasziniert und vermutlich sogar geprägt haben. Wenn ich dabei an Titel wie Flughunde, Die Päpstin, Roman eines Schicksallosen oder Der Name der Rose denke, dann nicht, weil ich hier einen bestimmten Kanon vertrete oder meine private Lektüre nach zuvor gründlich durchdachten Kriterien auswähle. Ich lese Texte, die mich neugierig machen. Das Genre ist für mich eher zweitrangig.
Auch HistorikerInnen blicken zumindest mit gemischten Gefühlen auf das Genre. Vermutlich die wenigsten outen sich als euphorische Fans – trotz des offenkundigen Erfolgs in den Buchläden. Als ich dann von Prof. Dr. Marko Demantowskys geplanten Bochumer Projekt erfuhr, mit einer Doktorandengruppe die Dynamiken der Geschichtskultur zu untersuchen, war für mich schnell klar, welches Medium ich unter den zur Auswahl stehenden wählen würde.