Martin Luther soll einst gesagt haben: "Man muss dem Teufel das Kreuz ins Angesicht schlagen, so weiß er, mit wem er umgeht." Mit der Reformation rückte der Teufel wieder ins Zentrum des gelebten Glaubens, jedoch anders als in den Epochen davor. Denn in der neuen Aufmerksamkeit für den Satan und der Konjunktur der Vorstellungen von ihm steckte bereits auch der Anfang vom Ende des Teufelsglaubens. Das Zitat Luthers deutet ein neues Selbstbewusstsein an, das in der Überzeugung kulminiert, gegen den Satan aktiv vorgehen bzw. ihn immer dort bekämpfen zu können, wo man ihn gerade antrifft. Der Religionshistoriker Dr. Jan Löhdefink hat in seinem Dissertationsprojekt über die Teufelsvorstellungen in der frühen Reformationszeit geforscht und die Auswirkungen auf die Moderne in den Blick genommen. Für seine inzwischen publizierte Doktorarbeit "Zeiten den Teufels" ist er mit dem Martin-Luther-Preis ausgezeichnet worden. Wir haben ihn zu seinem Projekt befragt.
"Gegner bezichtigten sich wechselseitig, Agenten des Teufels zu sein"
L.I.S.A.: Herr Dr. Löhdefink, Sie haben zuletzt für Ihre Doktorarbeit „Zeiten des Teufels“ über Teufelsvorstellungen in der frühen Reformationszeit den Martin-Luther-Preis erhalten. Wie kamen Sie dazu, sich wissenschaftlich mit dem Teufel zu beschäftigen? Welche zentrale Fragestellung hat sie dabei geleitet?
Dr. Löhdefink: Am Anfang stand die Beobachtung, dass die Teufelsvorstellungen in der Reformationszeit einen enormen Stellenwert hatten – sie begegnen in den Quellen der Zeit gleichsam allenthalben. Beispielsweise bezichtigen sich die theologischen Gegner der Zeit wechselseitig, Agenten des Teufels zu sein – sowohl was die reformatorischen Bewegungen im Gegenüber zu den Altgläubigen als auch was die innerreformatorischen Gegnerschaften, man denke z.B. an Luther und Müntzer, angeht. Erschöpft sich also die Bedeutung der Teufelsvorstellungen in ihrer polemischen Verwendung zur Herabwürdigung Andersdenkender, gleichsam beliebig applizierbar auf alles und jeden, oder kommt ihnen ein theologischer Sachgehalt zu, der Einblicke in das jeweilige Selbstverständnis gewährt und mit den jeweiligen theologischen Grundvorstellungen untrennbar verbunden ist? Ein leitendes Erkenntnisinteresse der Untersuchung betrifft daher die Frage, ob hinsichtlich der Teufelsvorstellungen hinter den von den Zeitgenossen unter Umständen wahrgenommenen Gegensätzlichkeiten auch Gemeinsamkeiten im Sinne einer inneren Kohärenz aufzufinden sind. Existiert also in syn- wie diachroner Hinsicht so etwas wie eine spezifisch reformatorische Teufelsvorstellung und wie ließe sich diese konturieren?
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Interessant für mich ist zu lesen, dass die protestantische Tradition den Kampf gegen den Teufel zur Privatsache macht. Wofür bin ich dann ev. Christin, wenn mir mein Glaube da nicht den rechten Weg weißt? Vielleicht paßt dazu folgendes Zitat: "Lehne es nicht ab, das Negative zur Kenntnis zu nehmen. Weigere dich lediglich, dich ihm zu unterwerfen." (N.V. Peale).
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"Im Unterschied zu vorreformatorischen apokalyptischen Vorstellungen ist diese Beschleunigungsdiagnose zudem mit technischen Neuerungen, allen voran mit dem Buchdruck und der Flugschriftenpublizistik, originär verbunden, sodass die konstatierte Neuheit der eigenen Gegenwart nicht nur vom Erwartungshorizont evoziert, sondern auch von sich verändernden Erfahrungsgehalten abgeleitet wurde."
Wie müsste man dann die "Beschleunigung" durch die "technischen Neuerungen" IT und unkontrollierbar ausufernde "social media" beschreiben und bewerten? — "Teufel", Iblis" oder "ausufernde Gier" als Handlungsmaxime der Spezies Menschheit statt des in allen Religionen präsenten "Erbarmens"?
Philipp Bockenheimer, Linden