Trotz der noch frischen Erinnerungen an die deutschen NS-Verbrechen, die in der systematischen Vernichtung der europäischen Juden kulminierten, gab es bald nach dem Krieg erste Kontakte zwischen dem geteilten Deutschland und dem neuen Staat Israel. Viele dieser ersten Brücken gingen auf private bzw. persönliche Initiativen zurück, lange bevor die Bundesrepublik 1965 diplomatische Beziehungen zu Israel aufnahm. Einem gesellschaftlichen Feld kommt dabei eine größere Rolle zu: dem Sport, insbesondere dem Fußball. Doch welche genau? Dieser Frage widmet sich Ende Februar die 8. Sporthistorische Konferenz der Schwabenakademie Irsee zum Thema "Die deutsch-israelische Fußballfreundschaft". Wir haben im Vorfeld der Veranstaltung Dr. Markwart Herzog, dem Direktor der Schwabenakademie Irsee, Fragen zu Anlass, Programm und Ziele der Tagung sowie zur Bedeutung einer Erinnerungskultur im Fußball gestellt.
"Themen der Sportgeschichte in ein wissenschaftliches Tagungsformat bringen"
L.I.S.A.: Herr Dr. Herzog, in der Schwabenakademie Irsee findet Ende Februar die inzwischen 8. Sporthistorische Konferenz statt. Thema ist die deutsch-israelische Fußballfreundschaft. Wie kam es zur Auswahl dieses Themas? Welche Gründe sprechen dafür?
Dr. Herzog: Den äußeren Anlass der Veranstaltung bietet die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Israel und Deutschland, die sich 2015 zum 50. Mal jährt. Darüber hinaus passt das Thema sehr gut in die Reihe der sporthistorischen Konferenzen der Schwabenakademie Irsee. Ein Grund für den großen Erfolg dieser Veranstaltungen war von Anfang an die Strategie, die Themen sehr eng zu fassen, also keinen allgemein formulierten Fragestellungen nachzugehen. Deshalb ist es uns von Anfang an, seit dem Jahr 2000, gelungen, wichtige Themen der Sportgeschichte zum ersten Mal überhaupt in ein wissenschaftliches Tagungsformat zu bringen.
L.I.S.A.: Welche thematischen Schwerpunkte haben Sie sich mit der Tagung gesetzt? Geht es ausschließlich um Israel und seine Fußballbeziehungen zu Deutschland oder thematisieren Sie auch Juden im deutschen Fußball?
Dr. Herzog: Den Schwerpunkt bildet zweifelsohne die Geschichte der zwischen beiden Ländern gewachsenen Fußballfreundschaft. Doch selbstverständlich kommen auch die Leistungen und Verdienste zur Sprache, die der deutsche Fußball jüdischen Bürgern verdankt. Als im Kaiserreich der aus England stammende Fußball von den Turnern noch als undeutsch beschimpft wurde, waren es zahlreiche Juden, die Fußballvereine gründeten, in diesen Clubs spielten – zwei von ihnen sogar in der Nationalmannschaft –, die ihr Knowhow in die Vereinsführungen einbrachten und als Sponsoren unverzichtbar waren. Sogar am Gründungsprozess des DFB waren mehrere Juden beteiligt, ein Feld, das der Bonner Anglist Heiner Gillmeister bereits in den 1990er Jahren aus den Quellen heraus erforscht hat.
Dass die beiden von Ihnen genannten Themen durchaus als Einheit gesehen werden, zeigt beispielsweise die Geschichte „meines“ Vereins, des 1. FC Kaiserslautern. Der FCK verdankt jüdischen Fußballenthusiasten in der Vereinsführung und in ihrer Rolle als Mäzene von der Kaiserzeit bis in die 1930er Jahre außerordentlich viel. Ein mit einer Jüdin verheirateter Spieler, der noch in Saison 1936/37 als Trainer im FCK nachgewiesen ist, trat zu Beginn der 1950er Jahre wieder in den FCK ein. Sechs Jahrzehnte später standen die israelischen Nationalspieler Gil Vermouth und Itay Shechter auf dem Betzenberg unter Vertrag. Aus diesem Anlass beauftragte mich die Vereinsführung damals, für das Mitgliedermagazin gleich eine ganze Serie von Artikeln über die Bedeutung und das Schicksal jüdischer FCK-Mitglieder zu schreiben.