Die Harry Potter-Reihe zählt zweifelsohne zu den erfolgreichsten Romanreihen. So wurden die Bücher in zahlreiche Sprachen übersetzt, selbst die lateinische Version gibt es zu kaufen, und insgesamt über 400 Millionen mal verkauft. Die Verfilmungen erzielten Milliardenbeträge und obwohl die Reihe mit dem siebten Roman, bzw. achten Film offiziell abschloss, gehört die magische Welt von Harry Potter und Co. keinesfalls der Vergangenheit an: Fan fiction, Wizard Rock, Themenparks oder Theaterstücke sind überall zu finden. Dr. Melanie Babenhauserheide von der Universität Bielefeld hat sich in ihrer Dissertation mit der Harry Potter-Reihe beschäftigt und analysierte unter anderem die Herrschaftsverhältnisse und ideologischen Widersprüche unter dem Gesichtspunkt der Kritischen Theorie von Adorno. So fragt sie: Warum gibt es Armut und Lohnarbeit, in einer Welt, in der Dinge aus dem Nichts herbei gezaubert werden können? Im Interview haben wir der Wissenschaftlerin diese und weitere Fragen gestellt und wollten selbstverständlich auch wissen, ob sich die Buchreihe trotz allem zu lesen lohnt.
"Berufsentscheidungen werden oft nicht so rational gefällt, wie dargestellt"
L.I.S.A.: Frau Dr. Babenhauserheide, Sie beschäftigten sich in Ihrer Promotion mit einer ideologiekritischen Analyse der Harry Potter-Reihe von J.K. Rowling. Bevor wir in die Thematik einsteigen: Warum Harry Potter – wie sind Sie auf diesen Forschungsschwerpunkt gestoßen?
Dr. Babenhauserheide: Das sind natürlich zwei verschiedene Fragen. Darauf gestoßen bin ich ehrlich gesagt, weil ich bei der Suche nach einem Doktorvater vor Aufregung einen Blackout hatte. Eigentlich wollte ich in Soziologie über Antisemitismus promovieren, aber es ist gar nicht so leicht, als FH-Absolventin eine/n vernünftige/n BetreuerIn zu finden. Da saß ich also nach einigen unangenehmen Erfahrungen mit verschiedenen Wissenschaftlern, die doch nicht meine Betreuer wurden, zum ersten Mal bei meinem späteren Doktorvater Micha Brumlik im Büro und er sagte: „Das ist ja alles sehr interessant, was Sie da machen, Frau Babenhauserheide. Aber ich bin Erziehungswissenschaftler. Was haben Sie denn in letzter Zeit so pädagogisch gemacht?“. Vor Schreck ist mir nicht mal eingefallen, dass ich seit Jahren in der politischen Bildung arbeitete. Auf dem Weg nach Frankfurt hatte ich ein Harry Potter-Hörbuch von Rufus Beck gehört und mich über die Erzählung geärgert. Wie bei Obelix, dem beim Lampenfieber-Blackout auf der Bühne nichts anderes einfällt als „Die spinnen, die Römer!“, schoss mir das in den Kopf und ich sagte: „Äh...Äh...Ich hab überlegt, einen Artikel über Harry Potter zu schreiben.“ So kam die Idee auf. Herr Brumlik riet mir, darüber nachzudenken, ob ich mir vorstellen könne über dieses Thema zu promovieren. Das konnte ich sehr gut – denn ich hatte im Studium an einem Projekt über Literatur teilgenommen, hätte auch Lust gehabt meine Diplomarbeit über Kinderliteratur zu schreiben und habe selber Erfahrungen im literarischen Schreiben. Ich erzähle das deshalb, weil ich denke, dass daran ganz gut sichtbar wird, wie gerade auch Störungen, Stolpern, unbewusste Konflikte, Hemmungen, Ärger etc. produktiv Einfluss auf unsere Bildungswege nehmen können und dass solche wegweisenden Berufsentscheidungen oft nicht so rational gefällt werden, wie es gerne dargestellt wird.
Trotzdem gibt es gute wissenschaftliche Gründe zur Beantwortung der Frage „Warum Harry Potter?“ Für eine erziehungswissenschaftliche Perspektive ist die Harry Potter-Reihe deshalb besonders interessant, weil diese Romane weltweit so erfolgreich waren und ihre Lektüre in die Bildungserfahrung von mehr als einer ganzen Generation eingegangen ist: Viele LeserInnen beschreiben rückblickend, dass die Reihe sie in ihrer Kindheit und Jugend „begleitet“ und beeinflusst habe und dass sie eine Art Initiation in die Literatur ermöglichte, dass es die ersten Bücher waren, die sie freiwillig oder im englischen Original gelesen oder jemandem vorgelesen haben. Schaut man sich die Rezeption an, wird deutlich, dass Fans einige der Deutungsangebote der Romane annehmen und mit dieser Folie die Welt interpretieren. Deshalb ermöglicht die Lektüre auch Rückschlüsse auf den Zeitgeist. Viele beschreiben, dass die Romane ihnen helfen, sich über Wasser zu halten, wenn Sie sich beispielsweise als Außenseiter fühlen.
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auch wenn Ihnen das Interview nicht gefallen hat, freuen wir uns, dass Sie den Beitrag gefunden und ihn offenbar gelesen haben.
Mit freundlichen Grüßen
Ihre L.I.S.A.Redaktion
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ich bin hier über einen Link reingeplatzt und durch die Überschrift neugierig geworden, wäre also ein potentiell auch zukünftiger Leser, - aber ganz ehrlich, die Arroganz und vollständige Nichteinsichtsfähigkeit, die nicht nur aus dem Text spricht, sondern vor allem aus den Antworten des Redakteurs auf die Kritik einiger Leser, die schreckt mich wieder ab. Dieses Interview spiegelt genau das Elend unserer Akademikerwelt, besonders der Geisteswissenschaften, dieses Um-sich-Selbst-Kreisen, dieses behagliche Analysieren aus der Distanz, dieses Hantieren mit den immer selben keimfreien Werkzeugen, ohne zu merken, dass sie kaum je greifen. Bis auf ein paar interessante Stellen wie die mit dem Radiomoderator ist da wenig, was die Lektüre lohnt. Und genau das sind natürlich die Stellen, an denen man bei einem richtigen Interview nachgehakt hätte und wo es hätte interessant werden können. Schade, Chance vertan.
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wir lassen uns gerne so entlarven. Das steht in keinerlei Widerspruch zu den vielfältigen Beiträgen in unserem Portal. Vielleicht ist es am Ende auch immer eine Frage des Geschmacks, vielleicht besteht hier auch ein Zusammenhang zu sonstigen Lesegewohnheiten.
Mit besten Grüßen
Georgios Chatzoudis
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mag sein, ich zähle mich selbst auch zu denen, die in solchem Stil geschriebene Texte lesen und verstehen können. Aber *gerne* lese ich derart Verschwurbeltes nicht.
Wirft man einen Blick in die anglo-amerikanische akademische Welt, aber auch in andere Regionen, so gilt es dort als Tugend, als Wissenschaftler*in – und zwar egal, für welches Publikum – gut verständlich, elegant und gut lesbar zu schreiben, ohne deswegen inhaltlichen Anspruch und Substanz aufzugeben.
Aber in der deutschen Wissenschaftslandschaft gilt es ja immer noch als Ausweis von Wissenschaftlichkeit, möglichst kompliziert zu schreiben. Dass sie solch einen Stil auch noch verteidigen, ist entlarvend.
Beste Grüße zurück
H. Töpfer
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in unserem Wissenschaftsportal ist eine Bandbreite an Diktionen gegeben. Wir schätzen unsere Leserschaft und trauen ihr zu, Texte aus der Wissenschaft lesen und verstehen zu können. Diese können mal wissenschaftlicher, mal journalistischer ausfallen. Wir sehen darin in der Vemittlung von wissenschaftlichen Inhalten keinen Widerspruch.
Mit freundlichen Grüßen
Ihre L.I.S.A.Redaktion
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Wenn es hier um Wissenschaftsvermittlung in eine breitere Öffentlichkeit gehen sollte, ging das eher daneben. Vielleicht wollten Sie aber auch eine geradezu stereotypenhafte Verkörperung des in der deutschsprachigen Universitätslandschaft vorherrschenden Typus von sich kompliziert, unverständlich und gewunden sprachlich ausdrückenden Akademiker*innen präsentieren. Das wäre dann jedenfalls gelungen.
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Mit freundlichen Grüßen
Ihre L.I.S.A.Redaktion
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