In der Populärkultur gelten Mönche und Nonnen als weltabgewandte und besonders konservative Gestalten, die in einem finsteren Mittelalter in abgeschiedenen und unheimlichen Klöstern im besten Falle arbeiteten und beteten. Zeugnis davon legen unter anderem ihre Inszenierung in Romanen und Spielfilmen wie "Der Name der Rose" oder - mit Blick auf unsere heutige Zeit - in "Der Da Vinci Code - Sakrileg" ab. Dass dem nicht so ist, haben bereits zahlreiche historische Studien bewiesen - unter anderem die Arbeiten von Georges Duby, Karl Suso Frank oder Gert Melville. Eine neuen Aspekt der Klostergeschichte hat die Historikerin Dr. Julia Bruch im Rahmen ihrer Promotionsarbeit untersucht: Die Zisterze Kaisheim und ihre Tochterklöster. Studien zum Leben und Wirtschaften im spätmittelalterlichen Frauenkloster mit einer Edition des 'Kaisheimer Rechnungsbuches'. Wir haben Sie dazu befragt.
"Die Mönche und Nonnen waren nicht rückständig"
L.I.S.A.: Frau Dr. Bruch, Ihr Forschungsfeld ist das Mittelalter, insbesondere das Spätmittelalter. Dabei konzentrieren Sie sich auf die Geschichte der Orden. Was fasziniert und interessiert Sie an der mittelalterlichen Ordenswelt? Welche Rolle spielt dabei die Aura des Geheimnisvollen und Mystischen, die Orden und Klöster umgibt?
Dr. Bruch: Ich kam zum ersten Mal in Kontakt mit der mittelalterlichen Ordenswelt im Hauptseminar meiner Doktormutter Annette Kehnel zu Klöster und Orden als Innovationslabore. Mich faszinierte die progressive Kraft, die manchen Orden zu bestimmten Zeiten innewohnte und die enorme Bedeutung für die Entwicklung der damaligen Gesellschaft. Natürlich hatte ich „Der Name der Rose“ gelesen und kannte die Vorurteile, die man gegenüber Klöstern und Orden in der Populärkultur hegt. So fand ich gerade die Diskrepanz zwischen dem weit verbreiteten Bild und den Ergebnissen der Forschung vor allem zum Zisterzienserorden spannend. Die Mönche und Nonnen waren eben nicht rückständig und haben Entwicklungen gebremst; gerade im ökonomischen Sektor, den ich schließlich auch untersucht habe, waren sie Ideengeber und Träger von Innovations- wie Fortschrittsprozessen. Die frühesten Rechnungsbücher nördlich der Alpen sind beispielsweise in Zisterzienserklöstern zu finden.