Die Hilfs- und Entwicklungsorganisation Oxfam hat gerade eine Studie veröffentlicht, in der sie zu dem Schluss kommt, dass es im vergangenen Jahr eine weitere Konzentration des Vermögens an der Spitze gab. Einem Prozent der Menschheit gehören demnach 45 Prozent des globalen Vermögens. Die ärmere Hälfte der Weltbevölkerung besitzt gemeinsam nicht einmal ein Prozent davon. Daraus resultieren nicht nur ökonomische Ungleichheiten, sondern Ungleichheiten in nahezu allen Lebensbereichen. Der Politikwissenschaftler Prof. Dr. Christoph Butterwegge von der Universität zu Köln sieht darin die Ursache nicht nur für ein Wiedererstarken antidemokratischer Tendenzen, sondern vor allem für das Auseinanderbrechen westlicher Gesellschaften. In seinem neuesten Buch konzentriert er sich auf die Ungleichheiten in der Bundesrepublik, die er inzwischen für eine zerrissene Republik hält. Wir haben ihm dazu unsere Fragen gestellt.
"Relative Armut ist nur die schlimmste Ausprägung der sozioökonomischen Ungleichheit"
L.I.S.A.: Herr Professor Butterwegge, Sie haben eine neue Gegenwartsanalyse vorgelegt. Das Buch trägt den Titel „Die zerrissene Republik. Wirtschaftliche, soziale und politische Ungleichheit in Deutschland“. Es ist nicht Ihr erstes Buch zu diesem Thema. Was ist neu daran? Was hat sich möglicherweise in den vergangenen Jahren so verändert, dass Sie das zu einer neuen Analyse herausgefordert hat?
Prof. Butterwegge: In meinen früheren Büchern zu demselben Themenkreis ging es meistenteils um die unterschiedlichen Erscheinungsformen der Armut, etwa bei Familien, Kindern, Niedriglöhnern und Senioren, sowie um (Fehl-)Entwicklungen des Sozialstaates seit der Weltwirtschaftskrise 1974/75. Ich habe aber schon vor langer Zeit erkannt, dass relative Armut, die in Deutschland fast ein Sechstel der Bevölkerung trifft, nur die schlimmste Ausprägung der sozioökonomischen Ungleichheit ist. Deshalb lag es nahe, sich dieser Problematik gesondert anzunehmen, die ich für das Kardinalproblem unserer Gesellschaft, ja der Menschheit insgesamt halte. Seit der Jahrtausendwende haben die sozioökonomische Ungleichheit, das Armutsrisiko großer Bevölkerungsgruppen und die Konzentration des Reichtums in wenigen Händen stark zugenommen. Das war der wichtigste Grund, ein weiteres, stärker in die Tiefe gehendes Buch mit dem Titel „Die zerrissene Republik“ zu schreiben.
Reactions to the article
Comment
Doch gerade dieser Keil ist die Grundlage einer nachhaltigen und permanenten Entwicklung der Menschheit. Ihre Durchfütterung mit einem Grundeinkommen würde aber gerade diese Anstrengungen für eine Weiterentwicklung verhindern.