Deutschland ist ein Autoland – und Deutsch eine Autosprache? Das fünfte Rad am Wagen, Vollgas geben oder auf 180 sein: Zahlreiche Redewendungen und Sprichwörter haben im Deutschen mit dem Automobil zu tun. Mit dem Historiker Dr. Kai Nowak haben wir uns über Verkehr und Sprache unterhalten. Und wir wollten wissen, warum Ampeln eigentlich ausgerechnet grün blinken.
„Die Farbe Grün symbolisierte freie Fahrt“
L.I.S.A.: Herr Dr. Nowak, jedem Kind ist spätestens im Grundschulalter klar, dass im Straßenverkehr Grün für „Gehen“ und Rot für „Stehen“ steht. Doch seit wann ist das eigentlich so? Wann gab es die ersten Ampeln und seit wann funktionieren diese mit dem bekannten Rot-Grün-Gelb-Farbschema?
Dr. Kai Nowak: Die weltweit erste – noch gasbetriebene – Ampel wurde 1868 am Londoner Parliament Square errichtet und nutzte bereits rote und grüne Lichtsignale. Weil diese bei Tageslicht allerdings nicht gut zu sehen waren, verfügte sie zusätzlich über mechanische Zeiger, wie man sie von den noch jungen Eisenbahnsignalen her kannte. Damit orientierte sie sich an der bis dato üblichen Verkehrsregelung durch Polizisten auf der Kreuzungsmitte, die ebenfalls durch die Positionierung ihrer Arme die Fahrtberechtigung anzeigten.
Als Anfang des 20. Jahrhunderts die noch neuen Automobile immer zahlreicher auf den Straßen unterwegs waren, nahm in den Großstädten der Bedarf an technischen Lösungen zur Sicherung des Verkehrsflusses zu. Die erste fest installierte elektrische Ampel wurde 1914 in der US-amerikanischen Stadt Cleveland aufgestellt. Auch sie arbeitete mit roten und grünen Lichtsignalen. Im Zuge der Motorisierung der europäischen Städte ab den 1920er Jahren verbreitete sich zusammen mit der Ampeltechnik die in den USA bereits geläufige Farbkodierung auch in Europa und später weltweit.
Zu diesem Zeitpunkt war die Unterscheidung in Rot und Grün im Verkehrswesen längst eingeführt. Sie hatte sich ab der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts allmählich in der Schifffahrt etabliert. Dort diente sie zum einen als Warnsignal. So hatte sich bei Leuchttürmen durchleuchtetes rotes Glas als besonders lichtstark erwiesen. Zum anderen sollten Positionslichter an Schiffen und farbige Schwimmzeichen – Backbord rot, Steuerbord grün – Zusammenstöße verhindern. Schiffe sollten sich stets an der Steuerbordseite passieren, folglich signalisierte die Farbe Grün freie Fahrt.
Dass mit bloßen farbigen Lichtsignalen vergleichsweise zuverlässig auf menschliches Verhalten Einfluss genommen werden kann, also dass an einer roten Ampel gestoppt und erst bei Grün der Weg fortgesetzt wird, ist alles andere als selbstverständlich. Die Verkehrsteilnehmerinnen und -teilnehmer mussten sich erst allmählich an die Anlagen gewöhnen und stabile Verhaltensroutinen ausbilden. Nicht ohne Grund vertraute die Verkehrspolizei anfangs nicht allein der Technik: Zunächst standen noch an jeder Ampel Polizeibeamte, die manuell die Ampelphasen schalteten. Dies hatte nicht nur den Vorteil, dass sie bei Unfällen gleich vor Ort waren. Vor allem sollten die Polizisten durch ihre Präsenz die roten und grünen Lichter mit Autorität ausstatten und sicherstellen, dass diese auch tatsächlich beachtet wurden.