Der französische Präsident Emmanuel Macron wird nicht müde, im Zusammenhang mit der Ausbreitung des Coronavirus vom Krieg gegen einen unsichtbaren Feind zu sprechen. Die Medien nehmen solche Bilder dankbar auf und versteigen sich zu Schlagzeilen wie zum Beispiel: "Macron kündigt Militäraktion im 'Krieg' gegen Coronavirus an" (Stern, 25.03.). Auch in anderen Ländern sind diese Wechselwirkungen aus politischer und journalistischer Rhetorik zu beobachten - aus einer Pandemie wird dann bald eine "Panmedie". Auch in Deutschland hat sich die Sprache an die Coronakrise angepasst. Begrifflichkeiten aus Kriegszeiten, aber auch aus dem medizinischen Kosmos geben derzeit den Ton an. Jürgen Zimmerer und Georgios Chatzoudis fragen ihre LogBuch-Gäste Natascha Bagherpour Kashani und Andreas Rödder, welche Verschiebung in der Sprache sie aktuell wahrnehmen und welche Auswirkungen diese möglicherweise haben.
"Eine weibliche Politikerin würde das Wort 'Krieg' nicht so schnell verwenden"
Zimmerer: Frau Bagherpour, Herr Rödder: Sind wir im Krieg? Wie sprechen wir über die Pandemie und was sagt das über uns aus?
Bagherpour: Ich finde es nicht gut, von Krieg zu sprechen. Wir haben eher eine gesundheitliche Krise.
Chatzoudis: Aber das gegenwärtige Vokabular geht in eine andere Richtung, oder?
Rödder: "Krieg" ist natürlich ein sehr starkes Wort, von dem seine Nutzer sich einen besonderen Mobilisierungs- und Integrationseffekt versprechen. Hat aber auch etwas mit Männlichkeit in der Politik zu tun - siehe Bush, Trump, Macron...
Zimmerer: Was bedeutet das aber, warum beschwören diese Männer diese Situation?
Chatzoudis: Ja, das mit der Männlichkeit interessiert mich. Warum ist das typisch männlich?
Bagherpour: Ich denke, eine weibliche Politikerin würde dieses Wort nicht so schnell verwenden.
Zimmerer: Denke ich auch.
Bagherpour: Trump und Co. wollen sich als Kriegsmanager darstellen.
Rödder: Wie gesagt, "Krieg" mobilisiert, und Krieg bedeutet immer auch Geschlossenheit. Denken wir nur an den "Burgfrieden" von 1914. Beides erleichtert Regieren in Krisensituationen ungemein.
Chatzoudis: Das geht so ein bisschen in die Richtung: Scharfes Vokabular, um scharfe Maßnahmen zu rechtfertigen.
Bagherpour: Geschlossenheit ist das richtige Wort. Und abgesehen davon, hat Kriegsrhetorik gerade bei US-Präsidenten gut funktioniert, um wiedergewählt zu werden. George W. Bush wäre ohne 9/11 vielleicht nicht wiedergewählt worden. Er konnte sich als Beschützer der Nation hinstellen. Und die Bürger halten in solchen Situationen zusammen und stehen hinter ihrem Präsidenten.
Zimmerer: Ich sehe auch nationale Unterschiede. In Deutschland hat Krieg einen anderen Klang als in Großbritannien, beispielsweise. Und auch Merkel will ja die Ruhe im Innern, benutzt aber eine ganz andere Wortwahl.