Das Idealbild eines Krisenmanagers bietet in der bundesdeutschen Erinnerungsgeschichte Helmut Schmidt. Da widerstand 1962 in Mann als Innensenator den Sturmfluten, die seine Stadt Hamburg bedrohten, indem er klar vorgab, was zu tun war. So halten ihn nicht nur die Hamburger in guter Erinnerung, das Bild nährte seither auch die Vorstellung, dass in Krisenzeiten vor allem Führungsstärke gefragt sei, also jemand, der sagt, wo es langzugehen hat. In Zeiten von Corona scheint sich dieses Muster zu wiederholen. Der Mininsterpräsident von Bayern, Markus Söder, wird derzeit in den Medien für seine zupackende Art gelobt, mit dem Effekt, dass die Zustimmungswerte für ihn steigen. In Ungarn hat Ministerpräsident Viktor Orban nach einem Akt der parlamentarischen Selbstentmachtung nun freie Hand, um - wie er behauptet - die Krise schnell zu bewältigen. Wir fragen in unserer Runde: Ist die Sehnsucht nach einem starken Mann verständlich oder eher befremdlich? Geben wir leichtfertig Freiheiten preis, wenn es um Sicherheit geht? Ist gar die Demokratie gefährdet?
"Ich beobachte schon die Sehnsucht nach dem starken Staat"
Chatzoudis: Heute kommen wir vorerst zum letzten Mal in dieser Besetzung zusammen, allerdings leider ohne Frau Kupka, die aus terminlichen Gründen kurzfristig absagen musste. Daher sind wir heute zu dritt. Herr Zimmerer, Sie haben das Wort!
Zimmerer: Trump versus Merkel, Laschet versus Söder und dann ist da noch Viktor Orban. Sehnen sich die Menschen in der Krise nach dem starken Mann? Schätzen sie Sicherheit über Freiheit? Und können starke Männer mehr Sicherheit bieten?
Nolte: Ich beobachte schon die Sehnsucht nach dem starken Staat, an den man sich anlehnen kann. Aber bleiben wir vielleicht zuerst bei den starken Männern.
Chatzoudis: In der Bild-Zeitung wurde Frau Merkel für ihre Führungsstärke gelobt. "So geht Führung", heißt es da. Daher glaube ich nicht, dass Führung hier geschlechtsabhängig ist.
Nolte: Ja, "Merkel is back", auf jeden Fall, sie schien ja ätherisch aufgelöst, jetzt ist sie wieder die unbestrittene Führungsfigur.
Zimmerer: Ich habe bewusst von starken Männern gesprochen.
Chatzoudis: Ich weiß. Aber ich würde trotzdem "Mann" durch "Führung" ersetzen. Die Sehnsucht danach halte ich für geschlechtsneutral. Frauen werden mit starker Führung offenbar auch selbstverständlich zusammengebracht. Es geht daher nicht ums Geschlecht, sondern um zupackendes Führen.