Es mutet fast wie ein Treppenwitz an, dass Satiriker nach dem Anschlag auf das Magazin Charlie Hebdo in Paris, gegenwärtig sehr geschätzt werden. Die Solidarität mit Karikaturisten, Autoren und Redakteuren von Satirezeitschriften, wie beispielsweise Charlie Hebdo in Frankreich oder die Titanic in Deutschland, ist überwältigend. Das ist neu, denn Bilder und Texte aus deren Federn waren bisher alles andere als übergreifend beliebt. Im Gegenteil: Satiremagazine sind es gewohnt, ignoriert, beschimpft oder sogar verklagt zu werden. Wir haben den Satiriker und Autor Stefan Gärtner, der unter anderem Kolumnist des Satiremagazins Titanic ist, gefragt, wie er mit dieser neuen Welle der Sympathie umgeht und was er unter Satire versteht.
"Eine faule, eine verdächtige Sympathie"
L.I.S.A.: Herr Gärtner, Sie sind als Kolumnist des Magazins Titanic jemand, von dem man annehmen darf, dass er sich mit Satire auskennt. Die Solidarisierung mit Charlie Hebdo nach dem Attentat von Paris geht quer durch alle politischen Strömungen, Institutionen und Medien. Fühlt man sich als Satiriker noch wohl, wenn man plötzlich von allen mit Sympathie überschüttet wird?
Gärtner: Ja, denn es ist ja eine faule, eine verdächtige Sympathie, weil die Solidarität einen offen kulturalistischen Akzent hat, indem „wir“ uns gegen „die“ solidarisieren, gegen „den Islam“ nämlich, der ja grundsätzlich, anders als z.B. alle Deutschen, keinen Spaß versteht und in den Augen der deutschen Medien eben doch eine Gewaltreligion ist. Dass Religion sich stets da radikalisiert, wo Armut, Unbildung, Verwahrlosung herrschen, und die Attentäter typischerweise aus einer Banlieue stammen, wird so stur ausgeblendet wie der Umstand, dass religiöser Terrorismus weltweit ein Armutsphänomen ist und der Islam von den autokratischen, vom Westen im Grunde gern gesehenen Eliten politisch funktionalisiert wird. Und „die Grenzen der Satire“ werden spätestens dann neu gezogen, wenn es nicht gegen die dummen, humorlosen Kaffer geht, sondern gegen das, was den Leuten hierzulande heilig ist: ein Witz auf Kosten von Schumi, und Satiriker gehören wieder ins KZ.
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