Dr. Martin Zingsheim hat Musik-, Theater-, Film- und Fernsehwissenschaften sowie Philosophie studiert. An das Studium schloss er die Promotion im Fach Musikwissenschaften an, die aber nicht den Beginn einer akademischen Laufbahn bedeutete, sondern eher einen Schlusspunkt setzte. Denn seit einigen Jahren tourt er als Kabarettist durch Deutschland und wurde mit mehreren Preisen ausgezeichnet. Von seinem Schritt aus der wissenschaftlichen Karriere in den Geisteswissenschaften ins Tourneeleben erzählt er in diesem Interview.
"Bis ich irgendwann gemerkt habe, dass ich Noten schreiben hasse"
L.I.S.A.: Wann und wie haben Sie Ihr Interesse für das Kabarett entdeckt?
Dr. Zingsheim: Ich hatte gar keins. Also Interesse schon, für alles Mögliche, aber nicht für Kabarett, Comedy, Kleinkunst, oder wie auch immer man das alles nennen mag. Wahrscheinlich bin ich in die Kleinkunstszene abgerutscht wie andere ins Drogenmilieu, sprich durch Zufall und "schlechten" Umgang. Ich habe immer Musik gemacht und mir selber gerne größere und kleinere Stücke ausgedacht, schon zur Jugendzeit und dachte lange, ich würde einmal ein sogenannter seriöser Komponist, mit schrecklich überkomplexen und schwer verständlichen Werken mit kaum realisierbaren Besetzungsangaben, bis ich irgendwann gemerkt habe, dass ich Noten schreiben hasse. Eher suboptimal, wie ich zugeben musste. So kam also alles anders. Nach der Schulzeit landete ich beim legendären Springmaus-Improvisationstheater in Bonn. Dort wurde zum ersten Mal das Einzige, was ich konnte, tatsächlich gebraucht, nämlich die Hits der letzten fünftausend Jahre im fliegenden Wechsel und jeden Abend anders ineinanderzumixen und ohne Umschweife zwischen Bach, Beatles, Backstreet Boys und Beethoven hin- und herzuwechseln.
Nebenher habe ich angefangen, Texte von anderen unbekannten Menschen zu vertonen und ansonsten aushilfsweise Hotel-Essen musikalisch zu untermalen. Zum Glück lernte ich 2006 Henry Schumann und Sebastian Pufpaff kennen und unter dem wenig bescheidenen Namen "Das Bundeskabarett" tourten wir fünf Jahre lang quer durch die Republik und haben so ziemlich alles erlebt, was man sich unter dem Stichwort 'Tourneeleben' so vorstellen mag: absurde Garderoben, unfassbare Unterkünfte, phänomenales bis unterirdisches Essen, Freundschaft, Enttäuschung, Jubel, Frustration und latent oxidierte Wurstbrötchen. Ich saß am Klavier, sang ein paar Lieder, steuerte dreieinhalb Sätze zum Bühnengeschehen bei und konnte den Rest der Zeit zwei sehr, sehr witzigen Menschen "bei der Arbeit" zuschauen und von ihnen lernen. Das allerdings war wirklich ein Glücksfall für mich.
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