Wie erzieht man gewöhnliche Polizisten zu Handlangern eines mordenden Staates wie dem des nationalsozialistischen Deutschlands? Das ist die zentrale Frage, die sich der Erziehungswissenschaftler Prof. Dr. Hans-Christian Harten im Rahmen seines jüngsten Forschungsprojekts gestellt hat und dessen Ergebnisse nun erschienen sind. Die Studien der Holocaust-Forscher Christopher Browning und Daniel Goldhagen haben bereits gezeigt, dass Mitglieder von Polizei und polizeinahen Verbänden in der Lage waren, ihnen überstellte Menschen zu schikanieren, zu foltern und zu töten. Wie aber war das möglich? Was mussten Angehörige der Polizei im Nationalsozialismus erlernen, um solche Taten begehen zu können? Hans-Christian Harten hat zur Beantwortung dieser Fragen Polizeischulungen in der NS-Zeit untersucht und sich dabei vor allem auf die Vermittlung der nationalsozialistischen Weltanschauung konzentriert. Wir haben ihm dazu unsere Fragen gestellt.
"Noch keine umfangreichen und systematischen Untersuchungen"
L.I.S.A.: Herr Professor Harten, Sie haben nach Ihrer umfassenden Studie zur weltanschaulichen Schulung in der SS nun einen weiteren Band vorgelegt, für den Sie die weltanschauliche Schulung der Polizei im Nationalsozialismus untersucht haben. Bevor wir zu einigen Details kommen - was hat Sie zu dieser Forschungsarbeit veranlasst? Gibt es zu diesen Komplexen der Weltanschauung des NS-Personals nicht bereits zahlreiche Studien?
Prof. Harten: Mich hat als Erziehungswissenschaftler die Frage interessiert, ob und wenn ja, wie und in welchem Maß die Ausbildung, speziell die „weltanschauliche Schulung“ und der Unterricht in nationalsozialistischer Weltanschauung zur rassenpolitischen Praxis von SS und Polizei beigetragen und das Überschreiten zivilisatorischer Grenzen erleichtert haben. Dazu gab es bislang nur vereinzelte Studien, aber noch keine umfangreichen und systematischen Untersuchungen.